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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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Gang.
    Fürs Erste wussten Christian und Großer-Tiger nicht, was sie tun oder lassen sollten. Schließlich, als die Musik immer weiterspielte,
     fassten sie sich ein Herz. Sie sprangen dem Pudel nach, und sie stellten sich nebeneinander auf den Platz, hoben die Fäuste
     zur Stirn und verneigten sich sehr tief. Da schwieg die Musik, der Mittagschuss krachte, und Christian und Großer-Tiger sagten
     laut: »Zu viel Ehre. Wir sind unwürdige Knaben.« Jeder konnte es hören. Allein der Kapellmeister warf beide Arme in die Luft
     und ließ einen Tusch blasen. Ein Herr in einem schönen schwarzen Seidengewand, aber mit einem steifen Hut auf dem Kopf, trat
     vor, nahm Christian und Großer-Tiger an der Hand und holte Glück aus dem Führerhaus. Der Herr hieß Fan-Darin. Wie sich später
     herausstellte, war er ein Minister, und ermachte Großer-Tiger und Christian mit allen bekannt, die dastanden. Es waren viele, und ein dicker General war auch dabei.
     Er hatte einen Schnauzbart wie der Pudel, und er lachte gern. Als die erste Begrüßung vorbei war, nahm er Christian und Großer-Tiger
     bei den Haaren, schüttelte sie und sagte leise, dass sie eigentlich Lausejungen wären, und er hieße Wui-Hung-Wen und sei ihr
     Freund.
    Hinter den chinesischen und türkischen Herrn standen auch zwei Europäer, die dem Gouverneur zulieb gekommen waren, und weil
     sie gern einen Spaß mitmachten wie alle Leute in Sinkiang. Der eine war ein Schotte und hieß MacLorn.
    Er sagte: »Wie geht es euch?«, und: »Kommt mal bei mir vorbei, wenn es euch langweilig wird.« Währenddem spielte die Musik
     immer weiter, denn dazu war sie hergekommen, aber sie spielte leise wie bei einem Gartenfest.
    Der zweite Europäer trug einen schwarzseidenen Ischang. Er hatte einen gewaltigen roten Bart, der die ganze Brust bedeckte,
     und er war ein Missionar.
    Christian erschrak, als er von dem Riesen auf einmal deutsch angeredet wurde.
    »Junge, Junge!«, sagte der Pater Hillbrenner, »ihr habt was Schönes angerichtet. Na«, sagte er, »jetzt ist ja alles gut.«
    Christian wurde verlegen, doch der Pater lachte und zwinkerte mit den blauen Augen. Das war der verabredete Wink für den Kapellmeister,
     und da bliesen die Trompeten nicht mehr leise, sondern mit Kraft, die Pauke donnerte, und Christian kriegte einen roten Kopf,
     weil die chinesischen Minister und die türkischen Würdenträger auf ihn und auf Großer-Tiger schauten und weil die Militärmusik
     brausend »Hänschen klein, geht allein« spielte. Herr MacLorn, der auch ein Riese war, stand neben dem dicken General Wui-Hung-Wen.
     Die beiden lachten sogar unverhohlen, und als die Trompeten »Wünscht ihm Glück, wünscht ihm Glück« schmetterten, begannen
     alle, die da waren, »Kehre bald zurück« zu singen, und das hatte ihnen der Pater Hillbrenner beigebracht, der bloß ein bisschen
     sang und ganz erstaunt tat. Christian hatte gleich einen Verdacht auf ihn, aber jetzt war nicht die richtige Zeit dazu, denn
     er musste ansein Gesicht und an das von Großer-Tiger denken. Also zog er ihn am Rock, und als die Musik aufhörte, standen sie schon mitten
     auf dem Platz und verneigten sich dankend nach allen Seiten, besonders aber vor dem Kapellmeister. Da fing der bärtige Pater
     an zu klatschen und »Bravo!« zu rufen, und dann klatschten alle, und Wui-Hung-Wen schlug sich auf die Schenkel und rief: »Sehr
     gut! Sehr gut! Ihr versteht einen Spaß. Ihr seid meine Freunde.«
    Da war der Empfang zu Ende. Glück fuhr den Lastwagen durch eines der offenen Tore in die neugebaute Garage, und dann wuschen
     sich alle drei und machten sich so fein, wie sie konnten, denn im Hof stand der Privatwagen des Gouverneurs und wartete. Der
     General Wui-Hung-Wen war dageblieben, und er verklebte die Garagentür mit einem breiten Papierstreifen, auf den er seinen
     Namen schrieb. Außerdem stellte er zwei Wachen davor.
    »Hört einmal«, sagte er zu Christian und Großer-Tiger, »woher habt ihr diese prächtigen Gewänder und den silbernen Dolch?«
     Christian und Großer-Tiger wurden von neuem rot, aber Glück sagte gelassen: »Das haben sie von ihrem Bruder Dampignak geschenkt
     gekriegt.«
    Wui-Hung-Wen zog die Stirne kraus. Er sagte nichts, aber er setzte sich krachend auf den Ledersitz neben den Fahrer, und seine
     gute Laune war weg.
    »Zum Yamen!«, befahl er dem Fahrer.
    Christian und Großer-Tiger, die neben Glück auf dem Rücksitz saßen, wurde beklommen zumut. Selbst der Pudel zu ihren Füßen
    

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