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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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Geschäften!«, sagte Glück zornig, »ich will schlafen.«
    Grünmantel blieb ruhig. »Führe uns in das andere Zimmer«, befahl er dem Wirt, »du hättest es längst neu ausmauern können.
     Hast du wenigstens Decken und Felle?«
    »Für Eure Exzellenz reiße ich mir Hemd und Hose vom Leib«, beteuerte der Wirt. Er hob die Laterne, leuchtete nach links und
     rechts, und schließlich fand er sich zwischen verschneiten Gepäckstücken und Ballen zurecht. Grünmantel und Glück folgten
     ihm.
    Als sie die niedere Hausfront erreichten, die den Hof im Norden begrenzte, gingen sie unter dem Vordach entlang bis zur letzten
     Tür.
    »Entschuldige, Großer-Tiger«, flüsterte Christian, »ich bin neugierig.«
    Er kroch aus dem Schlafsack und kniete hinter die Barriere der Benzinkanister. Vorsichtig hob er den Kopf, aber er konnte
     fürs erste nicht mehr erkennen als den schwach beleuchteten Türrahmen, in den Grünmantel und Glück wie Schatten eintraten.
     Dann fiel die Türe zu. Ringsum versank alles in tiefes Dunkel, und plötzlich spürte Christian, dass er nicht allein war. Neben
     ihm kniete Großer-Tiger.
    »Kwi-Schan«, flüsterte er, »ich bin auch neugierig. Eigentlich ist es eine Schande.«
    »Es verdirbt nichts an unserer Sache. Siehst du etwas?«
    »Ich sehe sehr wenig. Es gibt Ballen, die herumliegen, und es gibt ein rundes Ding, von dem ich nicht weiß, was es ist, und
     es müssen Kamele da sein, die ich nur hören kann.«
    »Sie liegen in der südlichen Ecke«, sagte Christian, »ich höre sie auch. Sie tun, als ob jemand Getreide mahle.«
    »Sie kauen«, erklärte Großer-Tiger, »während der Nacht noch einmal, was sie am Tag gefressen haben.«
    »Kühe tun das auch«, sagte Christian, »aber man hört es nicht so laut.«
    Großer-Tiger nickte, und nach einer Weile fragte er bekümmert: »Kwi-Schan, was machen wir jetzt?«
    »Ich denke die ganze Zeit daran«, sagte Christian, »es ist eine fatale Sache. Und es ist so dunkel!«
    »Und es schneit wieder. Wie sollen wir da Dogolon finden?«
    »Sei still!«, sagte Großer-Tiger erschrocken und fasste Christian am Arm; »das runde Ding da unten bewegt sich!«
    »Es ist ein Fass«, sagte Christian; »Fässer können sich nicht bewegen.«
    »Vielleicht, wenn jemand darin sitzt«, gab Großer-Tiger zu bedenken.
    »Es schüttelt sich!«, rief Christian entsetzt, »es ist ein Tier!«
    Beide schauten auf das runde Etwas vor ihnen im Hof, das sichschüttelte und den Schnee abwarf. Sie fürchteten sich ein bisschen, und sie merkten das deutlich, weil es ihnen manchmal heiß
     und manchmal kalt den Rücken hinablief. Es war gut, dass sie hier oben saßen und dass das Ding unter ihnen im Hof weit genug
     weg war und wahrscheinlich nicht fliegen konnte. Als es aufhörte, sich zu schütteln, fiel es langsam auf die Seite, und als
     es auf der Seite lag und sich nicht mehr rührte, krabbelte etwas darunter hervor.
    Es ging auf allen vieren und verschwand rasch hinter dem zunächstliegenden Ballen.
    Dort hob es vorsichtig den Kopf, äugte umher, und als es sich unbeobachtet glaubte, lief es geschwind zum nächsten Ballen,
     wo es wieder verweilte. Gerade als Christian erleichtert sagen wollte: »Es ist ein Hund«, richtete es sich auf, und es war
     ein Mensch, der schnurstracks zu ihrem Wagen lief und darunter verschwand.
    Christian und Großer-Tiger konnten ihn nicht mehr sehen. Sie hörten aber, wie er schnaufte und ein wenig an der Nummerntafel
     kratzte. Anscheinend suchte er nach einem Halt für den Fuß, um sich auf die Ladefläche zu schwingen.
    »Soll ich schreien?«, flüsterte Christian. Aber Großer-Tiger hielt ihm den Mund zu.
    Zwei Hände erschienen auf dem Rand der Brüstung, dann tauchte eine Fellmütze auf und darunter zwei Augen, die sich auf Christian
     und Großer-Tiger hefteten. Sie blickten ruhig, wie es schien, aber genau konnte man es nicht sehen, weil die Dunkelheit so
     groß war, und weil es wieder schneite. Es war auch ganz still. Nur der Wind pfiff, und die Kiefer der Kamele mahlten, und
     es war viel schrecklicher als in der Nacht an der Prachts-Drachen-Brücke.
    »Da ist keine Hilfe«, murmelte Großer-Tiger.
    Er drückte sich enger an Christian, dem dadurch nicht wohler wurde. Wie gebannt blickten beide auf das unheimliche Gesicht,
     das sich langsam höher schob. Als das Kinn die Brüstung erreicht hatte, sagte eine frische Jungenstimme: »Hammaguä!«
    Sie schien auf Antwort zu warten, denn der Besitzer des Kopfesrührte sich weiter nicht.

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