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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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Nordstern ist irgendwo vor uns. Hier sehen wir ihn nicht.«
    Beide standen auf. Sie stützten sich mit den Armen auf die eisernen Fässer und schauten zum Himmel, ob sie den Nordstern fänden.
     Es war aber ganz unmöglich, denn die Helligkeit der Scheinwerfer blendete die Augen, und wo sie ihre Kraft verloren, war der
     Himmel schwarz wie Tinte. Die krummen und graden Telegrafenstangen flogen rechts vorüber; links zogen die Gleise des Karrenwegs
     wie fließende Bänder.
    Der Mond wurde plötzlich trüb und orangerot. Er schien von grauen Schleiern umweht, und auf einmal war er hinter der Wolkenbank
     im Westen verschwunden. Zugleich nahm der Fahrwind an Stärke zu.
    »Diese Sache begreife ich nicht«, sagte Großer-Tiger.
    »Es schneit!«, rief Christian.
    Im Nu war alles in wirbelnden Schnee gehüllt. Großer-Tiger deutete auf das Fensterchen, wo man den Mützenrand Glücks und seine
     Hände sah, die das Steuer hielten. Jetzt ließ die Rechte das Steuerrad los und griff nach dem Bremshebel. Mit der Linken versuchte
     Glück die Richtung beizubehalten, aber es war nicht mehr zu machen; der Wagen schlingerte, und dann gab es einen furchtbaren
     Krach, weil er gegen eine Telegrafenstange gerannt war. Ein Scheinwerfer erlosch, der andere brannte ruhig weiter und beleuchtete
     die morsche Stange, die schräg über dem Wagen in den Drähten hing.
    »Da ist keine Hilfe«, sagte Glück gelassen. »Heute ist kein guter Tag zum Reisen. Es steht im Kalender.«
    »Wie?«, schrie Grünmantel, »es gibt keine Hilfe? Du hast mir versprochen, dass wir heute bis Weißer-Stein fahren. Wie steht
     es damit?«
    »Das weiß der Himmel und dieser Telegrafenmast.«
    Damit war für Glück vorläufig alles geregelt. Er stieg aus und ging nach vorn, um sich den Schaden anzusehen.
    Als er zurückkam, sagte er: »Es ist nicht schlimm. Die Stoßstange ist verbogen, und ein Scheinwerfer ist eingedrückt. Wir
     werden ein Stündchen schlafen. Habt ihr mich gehört, ihr zwei da oben?«
    »Wir haben alles vernommen, befehlender Herr«, antwortete Großer-Tiger.
    »Wir wünschen ruhigen Schlaf«, sagte Christian.
    Glück war schon wieder eingestiegen; er löschte den übriggebliebenen Scheinwerfer, und dann hörte man, wie er sich bequem
     zurechtsetzte.
    Christian und Großer-Tiger breiteten die Schlafsäcke aus. Sie deckten die Mäntel und eine Zeltbahn darüber, streiften die
     Schuhe von den Füßen und schlüpften in den Sack, wo es warm war. Die Fellkappe zogen sie über das Gesicht, und dann schliefen
     sie ein.
    Darum hörten sie nicht, wie Grünmantel zu reden anfing, und wie Glück brummte oder gar nicht antwortete.
    »Du da!«, sagte Grünmantel; und eine Weile später rief er: »He, Glück!« Und als das auch nicht viel nützte, fing er an, laut
     zu lachen: »Ha, ha, ha!«, als ob es etwas zu lachen gäbe, wenn man in einem Auto sitzt und hat eine Telegrafenstange über
     dem Kopf hängen. Wahrscheinlich lachte Grünmantel bloß, weil er Angst hatte, Glück könnte einschlafen und hätte dann keine
     Lust mehr, bis Weißer-Stein zu fahren.
    Im Führerhaus war es dunkel geworden. Der Wind hatte die Schutzscheiben mit Schnee beworfen, und Grünmantel konnte nicht hinausschauen.
     Das ärgerte ihn noch mehr. Er hörte zwar, wie der Wind vorüberpfiff und die Drähte surren machte, als ob noch Strom darin
     wäre; er merkte aber nicht, dass derdichte Schneefall längst nachgelassen hatte. Als ihm nach einer halben Stunde endlich einfiel, das Fenster zu öffnen, jagten
     nur noch einzelne Schneeflocken im Wind.
    »He, du Stück Mensch!«, rief Grünmantel aufgeregt, und er rüttelte Glück am Arm: »du sollst aufwachen! Der Schnee hat aufgehört
     zu schneien!«
    Glück war müde. Am liebsten wäre er nach Dschang-Be zurückgefahren, aber Grünmantel gab keine Ruhe. Er schrie so laut, dass
     auch Christian erwachte: »Du hast mir versprochen, bis Weißer-Stein zu fahren, und du weißt, ich habe dort Geschäfte! In Dschang-Be
     ist das Tor schon lange geschlossen.«
    »Ach was«, erwiderte Glück ärgerlich, »deine Geschäfte in Weißer-Stein gehen mich nichts an.«
    »Freilich, freilich«, höhnte Grünmantel, »aber dein Geschäft ist es, besser zu fahren, als du getan hast. Dieser Wagen könnte
     sehr an Wert verlieren, meine ich.«
    »Willst du«, rief Glück laut und zornig, »damit sagen   …«
    Doch dann besann er sich und dämpfte die Stimme, und Christian konnte nichts mehr verstehen.
    Es dauerte zwei oder drei Minuten, dann

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