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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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gestört wird.«
    »Ja, das ist viel besser«, bestätigte Christian; »aber was dann?«
    »Wenn das Kamel aufgestanden ist, steht man flink auf seinen Rücken, und von da ist man gleich auf der Hofmauer, und das ist
     alles, weil man auf die andere Seite hinunterspringen kann.« »Wenn man aber wieder zurück will?«, fragte Christian.
    »Dann muss man ein Seil mitnehmen, das man vorher irgendwo angebunden hat, an einen Pflock, oder an ein Wagenrad, oder an
     etwas, was herumliegt.«
    »Vielleicht an einen Ballen«, sagte Christian.
    »Auch an einen Ballen«, gab Großer-Tiger zu. »Das Seil wirft man über die Mauer, und so hat man einen bequemen Rückweg, und
     man braucht zu niemand sagen: Zehntausendfachen Dank für liebevolle Bemühung.«
    »Und du denkst, dass Bator alles so gemacht hat, wie du sagst, und dass er bald wieder hier sein wird?«
    »Das denke ich«, sagte Großer-Tiger.
    »Wir wollen so lange in den Schlafsack«, schlug Christian vor. »Man kann in der Wärme besser warten, als wenn man friert und
     die Haare voll Schnee kriegt.«
    Großer-Tiger fand das auch.
    Im Schlafsack war es noch warm, aber die Fellkappe, die sie vergessen hatten zu schließen, war voll Schnee.
    »Puh!«, sagte Großer-Tiger, »wir müssen einen Schneeschutz erfinden, ein Dach oder so etwas.«
    »Das wird nicht nötig sein«, meinte Christian, »wir kommen bald in die Wüste, da schneit es nicht. In der Wüste ist es heiß.«
     »In der Wüste Gobi ist es nicht immer heiß«, behauptete Großer-Tiger.
    »Wir wollen Bator fragen, sobald er kommt. Ich bin dafür, dass es in der Wüste heiß ist.«
    »Ich bin dafür und dagegen«, sagte Großer-Tiger.
    »Kann man beides sein?«, fragte Christian erstaunt.
    Großer-Tiger bedachte sich, und weil es eine schwere Frage war, sagte er: »Im armseligen Reich der Mitte denkt man, dass es
     vorteilhaft sei, manchmal beides zu sein.«
    »Wollen wir ein Stückchen schlafen?«, fragte Christian.
    »Ich bin dafür«, sagte Großer-Tiger.
    »Ich auch; sind wir uns einig?«
    »Wir sind uns immer einig.«
    »Auch wenn es in der Wüste heiß sein wird?«
    »Wir sind doch Freunde«, sagte Großer-Tiger.
    Christian gähnte ein bisschen, und Großer-Tiger gähnte zur Gesellschaft mit; aber das kam weniger vom Müdesein als vom Hunger,
     denn die Mohnkuchen waren leider alle aufgegessen. Trotzdem schliefen sie schnell ein.
    Sie schliefen sehr fest, und sie merkten nicht, dass der Schnee aufhörte zu schneien, und dass der Wind einschlief. Die letzten
     Wolken verzogen sich, und die Sterne kamen gegangen, einer nach dem andern, und der Nordstern, nach dem sie gesucht hatten,
     war auch da, und es wurde kalt.
    Bator kam lange nicht. Er hatte viel zu tun gehabt, und wenn er es recht überlegte, hatte er noch nie auf einmal so viel eilige
     Arbeit verrichten müssen. Als er endlich an dem Seil auf die Hofmauer von »Fröhlichem-Gedeihen« kletterte, betrachtete er
     die Sterne über sich und merkte, dass es schon gegen drei Uhr morgens war.
    Es ist die Stunde des Tigers, dachte Bator, und wenn sie vorüber ist, wird der Gegen mit seinem Gefolge aufbrechen. Da bleibt
     nicht mehr viel Zeit. Er schaute in den Hof hinab, wo das Kamel neben der Mauer sich wieder zu den andern gelegt hatte. Ihm
     auf den Rücken springen ging nicht; also rutschte Bator ein Stückchen auf der Mauer entlang, bis er eine passende Stelle zum
     Abspringen fand.
    Der Lastwagen stand gleich neben der Einfahrt. Die Radspur und jeder Tritt vom Abend vorher war weiß verschneit. Manwürde neue Fußspuren sehen. Aber Bator tröstete sich damit, dass beim Aufbruch des Gegen viele Leute und viele Kamele noch
     während der Dunkelheit im Hof und draußen herumtappen würden. Als Verräter seiner nächtlichen Wanderung blieb lediglich das
     kurze Stück Mauer, wo er den Schnee beim Vorwärtsrutschen weggefegt hatte.
    Hamma-guä, dachte Bator, und das war ebenso gut, als hätte er »Da ist keine Hilfe« gedacht.
    Er schwang sich auf den Wagen. Von den beiden Schläfern waren nur die Nasenspitzen zu sehen; alles Übrige war unter den Fellkappen
     verborgen. Bator war unschlüssig, was er tun solle, um Christian und Großer-Tiger zu wecken. Am liebsten hätte er sie in die
     Nase gezwickt, aber dazu waren sie nicht gut genug bekannt. So entschloss er sich, laut »Sä untawo?« zu sagen. Das heißt so
     viel wie: »Hast du gut geschlafen?«, und damit wissen wir bereits mehr als Christian und Großer-Tiger, die von der mongolischen
     Sprache

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