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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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leider Gottes noch immer keine Ahnung haben.
    Trotzdem erwachten sie, und Großer-Tiger sagte: »Guten Morgen! Wie geht es dir, Bator, und wie geht es zu Hause?«
    »Wir Haus haben abgebrochen und eingepackt«, antwortete Bator, »alles das auf Kamel etwa fortschaffen bald.«
    Christian, der nicht gleich mitkam, setzte sich betroffen auf.
    »Euer Haus«, fragte er, »kann man das abbrechen und einpacken?«
    Jetzt kam Bator nicht mit, und Großer-Tiger erklärte: »Er meint das Zelt; sie haben das Zelt eingepackt.«
    Bator schüttelte den Kopf: »Zelt nicht vorhanden sein. Du und du, zwei Stück Mensch, müssen mongolisches Wort lernen. Bei
     uns zwei Arten Haus etwa, und eine Art Zelt. Unser Haus nennen ›Girr‹. Mongolischer Mensch machen aus Filz und Stangen rund
     wie Sonne etwa und warm und schnell einpacken. Anderes Haus nicht gut, nennen ›Bäschen girr‹. Solche Art Haus machen aus Lehm
     und Holz, aber nur für Kloster etwa. Dann noch Zelt aus Stoff, nennen ›Märchen‹; nicht viele Mongolen haben so was. Aber alle
     haben ›Girr‹ aus Filz. Girr sehr ausgezeichnet gut sein.«
    »Wir nennen das Jurte«, sagte Christian, »oder Filzzelt.«
    »Wissen«, sagte Bator; »alle fremden Stück Mensch nennen Jurte, was eigentlich heißen Girr. Wir Mongolen   …«
    »Halt!«, sagte Großer-Tiger. »Kwi-Schan und ich werden Mongolisch lernen. Aber jetzt ist nicht die richtige Zeit. Bitte sage
     uns, was du zu sagen hast.«
    Bator kratzte sich hinter dem Ohr. Er sah zum Sternenhimmel hinauf und meinte: »Sagen können viel, bis Hasenstunde noch lang.
     Bator aber sehr kalte Füße haben, zittern etwa.«
    »Setz dich neben mich«, sagte Christian und hielt den Schlafsack auf. »Hier drinnen ist es warm. Streck deine Füße hinein.
     Wir haben beide Platz.«
    »Tausendmal tausend Dank«, sagte Bator, »jetzt erzählen leicht und gut.« Er zog die Fellmütze über die Ohren, und Christian
     und Großer-Tiger machten es ihm nach. Die Hände vergruben sie in die weiten Mantelärmel, und als sie das besorgt hatten, sahen
     sie aus wie eine Versammlung von Weihnachtsmännern. Es sprach aber bloß Bator, und nur wenn er die Worte zu sehr durcheinanderwarf,
     fragte Großer-Tiger, was dies und das bedeute, und dann musste Christian ein bisschen auf die Zunge beißen, damit er nicht
     lachte, sonst hätte sich Bator womöglich gekränkt, und dann hätte Großer-Tiger sich für Christian schämen müssen.

Fünfzehntes Kapitel, mit dem Bericht Bators, der zuerst aus holprigen Sätzen in reines Chinesisch übertragen und dann verdeutscht
     werden musste – ein schwieriges Kapitel
    »Ich bin sechzehn Jahre alt, aber von meinem ersten Lebensjahr weiß ich wenig, weil ich da noch nicht auf der Welt war. Mein
     Vater heißt Serrath, und mein toter Großvater hieß Gombo. Er war ein weitgereister Mann, einer von den Alten, die noch Zöpfe
     trugen, und er hatte überall Freunde. Großvater Gombo wallfahrtete nach Kumbum, wo der wunderbare Baummit den Blättern wächst, auf denen Gebete stehen; er reiste nach Uljassutai, wo es die vielen Kaufleute gibt, er kannte die
     Götterstadt Urga, und wenn ihn jemand fragte: ›Gombo, wo warst du noch nicht?‹, so antwortete er: ›Nicht gibt es nicht.‹
    Bald hieß mein Großvater nicht mehr Gombo, sondern ›Nicht-gibt-es-nicht‹.
    Als mein Vater acht Jahre alt war, kam Großvater Nicht-gibt-es-nicht von einer Reise an den Edsin-Gol nach Hause. Dort hatte
     er einen neuen Freund gekriegt, der hieß Naidang, und weil Nicht-gibt-es-nicht gern Sachen machte, die weitab von jedem Herkommen
     lagen, sagte er, kaum dass er aus dem Sattel gestiegen war, zu meinem Vater: ›Mein Sohn, ich habe eine Braut für dich gefunden.‹
     Das wäre eigentlich sehr gut gewesen, denn bei uns verlobt man die Kinder, wenn sie sieben oder acht Jahre alt sind. Also
     freute sich mein Vater, wie es einem gehorsamen Sohn geziemt. Er kniete nieder und sagte: ›Ich bin deiner Güte nicht wert.‹
    Aber Großmutter freute sich nicht. ›Ein Mongole vom Stamm Tschachar‹, sagte sie, ›nimmt ein Tschachar-Mädchen zur Frau und
     keine Fremde. Was sind das für Leute am Edsin-Gol?‹
    ›Sie sind vom Torgot-Stamm‹, sagte Nicht-gibt-es-nicht.
    ›Da haben wir es!‹ rief Großmutter; ›die Torgot-Mongolen sind Herumtreiber. Vor ein paar hundert Jahren waren sie in Russland,
     und vor wieder ein paar hundert Jahren kamen sie zurück. Sie haben kein Empfinden für gute Sitte, und du warst so lange bei
     ihnen

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