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Großer-Tiger und Christian

Großer-Tiger und Christian

Titel: Großer-Tiger und Christian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frritz Mühlenweg
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waren aus dickem Leder gemacht und mit Filz gefüttert. An den Spitzen waren sie aufgebogen wie kleine Kähne, und
     die Schäfte waren mit grünem und braunem Leder verziert. Christian wunderte sich, wie wohl die Steigbügel aussahen, in die
     solche Siebenmeilenstiefel passten.
    »Du und du«, ordnete Bator an, »ihr beide Stück Mensch am Wagen von Gegen warten. Ich noch mit Kamelmann zwei Worte reden
     und dann auch kommen.«
    Er lächelte verlegen, denn er war schon im Gehen und überließ es Christian und Großer-Tiger, sich zwischen den vielen Ballen,
     Sätteln und Tragstangen zurechtzufinden.
    Aus einem der Räume unter dem Vordach schimmerte Licht. Der flackernde Widerschein eines Feuers lief an dem Papierfenster
     auf und nieder. Dort war die Küche. Man hörte Stimmen, aber die Stimmen sprachen mongolisch, und nur wenn Hagelkorn sich einmischte
     und irgendetwas auf Chinesisch sagte, antwortete man ihm ebenso.
    Christian und Großer-Tiger blieben stehen.
    »Hier ist der Tee für die Exzellenzen«, hörten sie Hagelkorn sagen, »und dann die Tassen; eija, ich bringe gleich die Tässchen
     für die höchsten Herrschaften.«
    »Wir brauchen deine Tassen nicht«, wurde ihm geantwortet, »der Gegen und der Prinz haben Silberschalen bei sich.«
    »Ich muss mich wegen Vergesslichkeit tadeln; selbstverständlich haben die Fürsten silberne Schälchen oder goldene. Aber wie
     wäre es mit einem oder mit zwei Blättchen Safran für langes Leben?«
    »Du kannst sie auf den Teller legen; jetzt mach die Tür auf!«
    Christian und Großer-Tiger merkten, dass es Zeit war, zu verschwinden. Sie eilten unter dem Vordach entlang, und als sie schon
     an zwei Türen vorbeigelaufen waren, stolperten sie über die langen Deichseln eines Karrens, die in den überdachten Gang hereinragten.
    »Das Fuhrwerk des Gegen!«, flüsterte Christian und blieb stehen.
    »Einsteigen!«, sagte Großer-Tiger entschlossen, »es gibt keine Hilfe.«
    Er kletterte behänd voran, und Christian folgte mit klopfendem Herzen, weil er befürchtete, der Karren müsse jeden Augenblick
     nach hinten überkippen.
    »Keine Angst«, flüsterte Großer-Tiger, »ich habe nachgesehen; hinten hat er eine Stütze.«
    Der Karren war fest und plump gebaut und hatte zwei große gebuckelte Räder. Statt der üblichen Seitenwände trug er einen Aufbau,
     der wie ein Häuschen war, das nach vorne offen stand. Rechts und links gab es winzige Fenster, vor denen dunkle Vorhänge hingen.
     Im Innern des Häuschens lag eine Menge Kissen, auf die Christian und Großer-Tiger sich setzten. Sie hätten sich behaglich
     gefühlt, wenn ihnen nicht eingefallen wäre, dass am Ende einer kommen könnte und ein Geschrei machen würde, wenn er sie im
     Fuhrwerk des heiligen Mannes entdeckte. Sie hätten nicht einmal fortlaufen können.
    »Es gibt keinen Ausweg«, sagte Großer-Tiger, »wir sind wie die Grille im Käfig.«
    »Still!«, sagte Christian, »es kommt wer.«
    Man hörte die schlurfenden Schritte mongolischer Reiterstiefel, und plötzlich sah Christian, dass gegenüber eine Türe war,
     und Großer-Tiger durchfuhr bei der gleichen Entdeckung ein jäherSchrecken. Kaum drei Schritte trennten sie von der Schlafkammer Jolleros-Lamas und des Belin-Prinzen. Es blieb keine Zeit
     mehr, darüber nachzudenken, ob es so sei oder anders, denn es kamen zwei Männer in langen Gewändern mit breiten Schärpen um
     den Bauch und mit Fuchsfellmützen auf dem Kopf. Einer trug eine dampfende Teekanne, der andere ein Tablett mit verschiedenen
     Schüsselchen. Sie traten ohne weiteres in die Kammer ein und schlossen die Türe hinter sich. Christian und Großer-Tiger hörten
     Begrüßungsworte; sie sahen auch, dass Licht gemacht wurde, und als sie anfingen, sich zu überlegen, ob sie nicht doch lieber
     ihr Versteck mit einem andern vertauschen sollten, traten die beiden Männer wieder aus der Kammer unter das Vordach. Sie wären
     weitergegangen, aber da kam Hagelkorn gelaufen und fragte: »Wie fühlen sich die Exzellenzen? Haben sie gut geschlafen?«
    »Sie haben gut geschlafen.«
    »Und der Tee? Was sagen sie zu meinem Blattspitzen-Teechen?«
    »Sie sagen nichts. Der Prinz steht eben auf, und der Gegen betet seit einer Stunde.«
    »Vielleicht auch ein bisschen für mich?«
    »Er betet für das Wohl aller lebenden Wesen.«
    »Ich denke«, sagte Hagelkorn, »man könnte dabei kleine Ausnahmen machen.«
    »Es gibt keine Ausnahme«, sagte einer der Männer streng. Er trug das rote Gewand eines

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