Großstadt-Dschungel
Warst du nicht das Mädchen, das mir immer hinterhergeschlichen ist? Jackie Soundso?“
O nein. Er erinnert sich an meinen Namen. Danny Zuckoe kennt meinen Namen.
Ich nicke. Ich kann nicht sprechen. Die Zunge klebt mir am Gaumen.
„Möchtest du etwas trinken?“
Jonathan Gradinger lädt mich zu einem Drink ein. Ich nicke wieder. Besser gesagt, ich nicke weiter. Nicht dass ich plötzlich von mir erwarten würde, ungehemmt drauflos zu quasseln, aber das hier war auch nicht das Richtige.
„Es scheint“, Jonathan sieht auf den Boden, „du magst ‚Sex on the Beach‘.“
„Vor allem mit dir“, sage ich. War ein Scherz. Das habe ich natürlich nicht gesagt. Ich nicke einfach.
„Und, wie gefällt dir Boston?“
„Jetzt, wo ich so mit dir spreche, gefällt es mir ausgezeichnet.“ Einen Moment – diesmal hatte ich es wirklich gesagt. Das hätte eigentlich nicht passieren sollen. Aber was ist das denn? Er lacht. Er findet mich komisch. Er denkt, ich flirte mit ihm. Ich
flirte
auch mit ihm. Ich flirte mit Jonathan Gradinger.
„Im Ernst, ich lebe gern hier“, ergänze ich. „Was ist mit dir?“ Vielleicht nicht die geistreichste oder interessanteste Antwort, aber immerhin zwei Sätze, von denen einer eine Erwiderung verlangt. Wahnsinn.
„Ich wohne hier schon ziemlich lange. Es gefällt mir. Ich habe mich dran gewöhnt.“
„Wann bist du hergezogen?“ Das ist die zweite Frage. Ich bin in Fahrt.
„Vor acht Jahren etwa.“
„Na, dann bist du ja fast schon ein Brahmane.“ Noch ein Gag.
Er lacht. Yeah! „Aber nur fast. Ich bin vor kurzem erst nach Beacon Hill gezogen.“
Pause. Eine Sekunde. Zwei Sekunden. Oh-oh. Was jetzt? Ich hab’s. „Und was machst du in Boston?“ Die ultimative Gefälligkeit – gib Männern die Chance, über sich zu reden.
„Ich bin Arzt.“
Eeeecht
.
„Was denn für ein Arzt?“ Ein Kinderarzt? Ein Notarzt? Ein Herzchirurg?
„Ein Podiatrist.“
„Ein was?“
„Ein Fußdoktor.“
Ich weiß, was ein Podiatrist ist. Ich bin Lektorin. Das ist jemand, der sich um Füße kümmert und sie behandelt. „Das stelle ich mir … interessant vor.“ Na los, was soll ich denn noch sagen? Was ist mit Hühneraugen? Immerhin, ich habe schöne Füße, Schuhgröße 37 und wirklich sehr süß, wenn ich das mal so sagen darf. Meine Fußpflegerin meint sogar, es sei ein Vergnügen, sie zu pediküren, wenngleich sie mir vielleicht nur mehr Trinkgeld aus den Rippen leiern will, was lächerlich ist, weil sie die Chefin ist. Der Chefin gibt man kein Trinkgeld, das weiß jeder, und doch habe ich neulich beobachtet, wie so ein Snob mit falschen Fingernägeln ihr bei einer Rechnung von zwanzig Dollar vier Dollar extra gegeben hat, was mich dazu zwang, ihr auch vier Dollar zu geben, und jetzt zahle ich immer vierundzwanzig Dollar statt zwanzig. Ich finde ja, sie sollte sagen: „Mach keinen Scheiß. Steck die vier Dollar ein! Du beleidigst mich, das ist schließlich mein Laden!“, doch sie steckt das Geld einfach ein. Es ist alles so absurd.
Egal.
„Ich vermute, du bist hier zur medizinischen Hochschule gegangen?“
„Stimmt. Was ist mit dir?“
„Ich bin Lektorin.“
„Wirklich? Wo denn?“
„Bei Cupid.“
„Cupid?“
„Wir sind auf Liebesromane spezialisiert.“
„Ach, meine Mutter liest die viel. Kennst du Fabio?“
Ich kichere mein Mann-ist-das-witzig-und-originell-Flirt-Kichern (ich bin lange genug mit Nat befreundet) und klopfe ihm auf die Schulter. „Leider nicht. Kennst du ihn?“
„Er ist einer meiner Patienten. Er hat wirklich schöne Füße.“
„Du machst Witze, stimmt’s?“ frage ich.
„Stimmt. Aber du weißt, was man über Leute mit schönen Füßen sagt?“
„Was denn?“
„Schöne Schuhe.“
Kann ich mit Fußwitzen umgehen? Ich kichere noch mal wie eben.
„Du hast so ein Paar Schuhe an“, sagt er mit Blick nach unten.
„Danke. Gerade erst erstanden. Single-Frau-Stiefel.“
„Wie kommst du da drauf?“
„Na, weil es Bemerk-mich-Stiefel sind.“
„Ich bemerke.“
Er bemerkt?
„Gut.“ Ich lächle bedeutungsvoll.
„Du bist erwachsen geworden.“
„Du hast mich zuletzt gesehen, da trug ich noch eine rosa Zahnspange und hatte krauses Haar.“
„Du siehst fantastisch aus, Jackie.“
„Danke. Du auch.“ Du bist ein ganz Scharfer, denke ich. Ein total Scharfer mit etwas weniger Haar und etwas mehr Speckrollen, aber immer noch sehr, sehr scharf.
„Und du gehst mit niemandem?“
Das versuche ich dir die ganze Zeit
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