Großstadt-Dschungel
klarzumachen. „Nein. Du?“
„Single wie er im Buche steht.“ Plötzlich liegt seine Hand auf meiner Schulter. Hallo?
„Jackie! Jackie!“ Das ist Nats Stimme im Hintergrund. Ich bin mir nicht sicher, wie ich sie über dem hämmernden
Bumm, bumm
höre, aber sie ist es. Und sie lenkt uns ziemlich ab. Nat fuchtelt wild mit den Armen.
„Kann ich deine Nummer haben?“ Na endlich. Er hat die magischen Worte gesprochen.
„Sicher.“ Ich komme mir ein bisschen wie Aschenputtel vor, obwohl meine jüngst erstandenen Single-Frau-Stiefel doch etwas cooler sind als Glasschuhe, wenngleich ich mir solche immer gewünscht habe. Ich frage Miss Busenwunder nach einem Streichholzheftchen und suche in meiner Tasche nach einem Stift. Sie schenkt mir einen bösen Blick, aber keine Streichhölzer.
Er nimmt mir den Stift aus der Hand, und ich spüre ein leichtes Kribbeln, als ob kleine Ameisen, die schwarzen, nicht die giftigen roten, mir den Arm hinaufliefen. „Schieß los.“
Ich gebe ihm meine Nummer, und er, du meine Güte, schreibt sie sich auf die Handfläche.
„Jackie! Jackie! Jackie!“
„Ich muss los“, sage ich mit einem Blick zu Natalie. Er sieht sie. Das ist gut. Das vermittelt den Eindruck, dass ich Freunde habe.
„Wunderbar.“ Er lächelt. „Ich ruf dich an.“
Ja, bitte!
Den Rest des Abends verbringe ich damit, jedem vorgestellt zu werden, der jemand ist, wobei ich aber überwiegend posiere, damit Jonathan Gradinger sehen kann, wie sexy ich bin. Aus dem Augenwinkel beobachte ich, ob er meine Nummer nicht durch die einer potenziellen Rivalin ersetzt. Natürlich bleibe ich sehr diskret; kein erneutes Anpirschen von meiner Seite.
Ob er anruft? Heute ist Freitag, also meldet er sich vielleicht morgen. Vielleicht noch heute Nacht? Vielleicht ruft er in der Sekunde an, wo er seine Wohnung betritt. Vielleicht sagt er, dass er nicht einschlafen kann, bis er meine weiche, einladende Stimme gehört hat.
„Amüsierst du dich?“ flüstert Natalie, so gut man bei der Musik flüstern kann. Wir sitzen zusammen mit dem Armani-Typ und drei seiner Freunde an einem Tisch. Einer von ihnen redet ohne Unterlass mit stark französischem Akzent auf mich ein. Ich nicke zu allem, obwohl ich kaum ein Wort verstehe. Das Einzige, was ich ausmachen kann, ist: „Mehr Drink, ja?“
Definitiv ja. Was für eine unglaubliche Nacht. Schon bald habe ich den perfektesten Freund auf der ganzen Welt. Er wird heiraten wollen, und da er Arzt ist, werde ich mir auch den ganzen Quatsch von wegen „nein, Schatz, die Klitoris sitzt woanders“ sparen können, und er ist einfach brillant, und die ganze High-School-Klasse wird sich umbringen vor Neid, und er wird heiraten wollen. Ich für meinen Teil mag die Vorstellung der Neid-Geschichte am liebsten. Wenn ich bedenke, wie cool sich die rotznasige Sherri Burns immer vorkam. „Oh, seht mich an, ich bin der einzige Frischling, der es geschafft hat, als
Pink Lady
gecastet zu werden. Oh, seht mich an, ich bin so unwiderstehlich. Oh, seht mich an, ich werde meine Pink-Lady-Jacke jetzt jeden Tag anziehen.“
Ich kann es kaum abwarten, ihr Gesicht zu sehen, wenn sie von uns hört. Ich bin sicher, sie hatte mal was mit meinem Jonathan, aber was spielt das noch für eine Rolle? Da stehe ich drüber. Ich sollte sie heute Nacht noch anrufen und ihr von unserer Beziehung erzählen, obwohl, ich weiß gar nicht, wo sie wohnt. Vielleicht sollte ich ein Ehemaligentreffen organisieren; es ist Jahre her, dass wir unseren Abschluss gemacht haben. Ich würde es ganz nebenbei erwähnen: „Ich komme übrigens mit meinem Verlobten. Ihr erinnert euch eventuell an ihn: Jonathan Gradinger?“ Ich würde in Pink kommen.
Oder ich schicke ein Foto von uns an die Internetadresse der Stapley-Schüler. Dann durfte ich bei unserem Date nur die Kamera nicht vergessen.
Die Idee gefällt mir besser.
„Und morgen erobern wir das ‚G-Spot‘, okay?“ fragt Natalie und ergreift meine Hand. Ich vermute, sie redet von einer Bar.
„Hört sich gut an“, stimme ich zu und überlege, ob ich wohl dieselben Klamotten noch mal anziehen kann.
4. KAPITEL
W ozu aufstehen?
Mein erster Gedanke heute Morgen gilt Jonathan Gradinger. Nicht?.
Das bedeutet, dass ich ihn wirklich überwunden habe.
Ehrlich gesagt, mein erster richtiger Gedanke ist
uuijjjmeinkopppff
– warum klingelt das Telefon am Samstagmorgen um 9:15 Uhr? Ich kann demjenigen nur wünschen, dass es ernsthaft brennt. Übrigens ist es sogar erst sechs Minuten nach
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