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Großstadt-Dschungel

Großstadt-Dschungel

Titel: Großstadt-Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Mlynowski
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kann. Die Begegnung wäre verflucht, bevor sie überhaupt stattgefunden hätte. Okay, Vorschlag zur Güte: Ich kaufe mir ein halbes neues Outfit. Ich kaufe mir ein neues Oberteil zu meinen schwarzen Hosen. Die Hosen sind wirklich richtig geil. Mein Hintern wirkt darin ganz dünn. Sie sind ein bisschen weiter, aber doch nicht zu flatterig, und sie kosteten ungefähr das Gleiche, was es mich gekostet hätte, mir die Zähne richten zu lassen.
    Donnerstag mache ich auf der Arbeit etwas früher Schluss, um mich vorzubereiten. Mein neuer roter Pulli sieht ungefähr … hm … genauso aus wie mein alter, nur neuer. Die schwarze Hose liegt ausgebreitet auf dem Bett. Zeit, sich aufzubrezeln.
    Das Telefon klingelt natürlich genau in dem Moment, als ich die Wimpertusche auf meine just geformten Wimpern auftrage.
    „Hallo.“ Natalie ist dran. „Und, was hast du an?“
    „Meine schwarzen Hosen und einen neuen roten Pulli.“
    „Oh.“
    „Was heißt das, ‚oh’?“ Was heißt ‚oh’?
    „Nun ja, ich frage mich … egal. Dafür ist es jetzt sowieso zu spät.“
    „Was? Was!“
    „Ich könnte mir vorstellen, dass er im Anzug geht. Es ist im Wang Center für Darstellende Künste, stimmt’s? Meine Eltern waren letzte Woche dort, und mein Vater trug einen Smoking.“
    Im Smoking? „Ich ziehe kein Abendkleid an.“ Meine Stimme klingt bedrohlich hysterisch.
    „Kein Abendkleid, aber doch ein Kleid. Hast du nicht eins von diesen schwarzen, die sich hervorragend für so einen Anlass eignen?“
    Schweigen.
    „Soll ich dir eins leihen?“
    Natalie hat ungefähr neun von diesen Passend-für-alle-Gelegenheiten-Fummeln. Neun von diesen zu kleinen Passend-für-alle-Gelegenheiten-Fummeln. Ich bin kurz davor loszuheulen. Ich spüre die Tränen schon in mir hochsteigen. Dann sehe ich gleich rot und fleckig aus, und meine Wimperntusche rinnt mir wie ausgelaufene Tinte die Wangen hinab.
    „Ich muss los“, murmle ich und lege auf. Was soll ich bloß machen? Was soll ich machen? „Verdammt! Verdammt! Verdammt!“ schreie ich.
    Plötzlich betritt Sam den Raum, meine gute Fee. „Was ist los? Hat er abgesagt?“
    „Nein, er hat nicht abgesagt.“ Schluchzen.
    „Was ist dann passiert?“
    „Ich kann das hier nicht anziehen. Ich muss ein schwarzes Passend-für-alle-Gelegenheiten-Kleid tragen. Aber das hab ich nicht.“ Ich atme bewusst ein und aus, als ob ich mich schwer zusammenreißen müsste.
    „Möchtest du dir von mir was leihen?“
    Genau. Das ist es. Ich verstehe gar nicht, wieso ich nicht viel eher darauf gekommen bin, mir etwas von Sam zu leihen. Vielleicht deswegen, weil ich vorher nie schick ausgegangen bin.
    Ich nicke, zu gerührt, um etwas sagen zu können.
    „Mir fallen ein paar Sachen ein. Wie viel Zeit haben wir?“
    Ich schaue auf die Uhr. „Neunzehn Minuten.“
    „Alles klar. Zieh dir ein Paar Strumpfhosen und schwarze hochhackige Schuhe an.“
    Ich befolge die Anweisung. Sechs Anproben später sehe ich in Sams grauem rückenfreien Kleid und dem schwarzen Seidenschal aus wie Gwyneth Paltrow.
    „Lass mich noch schnell deine Haare hochstecken“, sagt sie und steckt sie am Hinterkopf auf eine Art zusammen, die mich ziemlich erwachsen aussehen lässt.
    Vierundzwanzig Jahre alt, und so lange hat es gebraucht, sich mal erwachsen zu fühlen.
    Und dann summt es an der Tür.
    „Hallo?“
    „Hi, ich bin’s, Jon.“
    „Hallo, Jon. Ich drück dir auf.“
    „Halt still“, ruft Sam und rennt mit Haarspray hinter mir her. Sie verteilt es um meinen ganzen Kopf und spart dabei auch das Gesicht nicht aus.
    „So bleiben wenigstens die Augenbrauen in Form.“
    „Wo ist deine Tasche?“
    Ich denke an meinen großen Beutel und spüre instinktiv, dass Calvin Klein hier nicht angebracht ist.
    „Hier. Ich hab was für dich.“ Sie öffnet eine Schublade und zieht ein perlenbesticktes schwarzes Täschchen hervor. „Nimm die. Vergiss den Lippenstift nicht und die Ersatzstrumpfhose – und für alle Fälle Unterwäsche zum Wechseln und eine Zahnbürste.“ Den letzten Teil des Satzes flüstert sie nur noch.
    „Bist du verrückt?“ flüstere ich zurück. „Eine Zahnbürste passt hier niemals rein.“
    Es klopft an der Tür. Ich lächle mein Spiegelbild an.
    „Wer ist da?“ So eine idiotische Frage. Bevor er antworten kann, öffne ich die Tür. Er trägt einen dunkelgrauen James Bond-Anzug, ein weißes Hemd und eine silberne Krawatte. Ich bin
sehr
froh, dass ich mich umgezogen habe.
    So weit keine größeren Verluste bei der

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