Großstadt-Dschungel
erzählt, sage ich: „Ruf mich an.“ Ich notiere meine Telefonnummer auf einem sorgfältig vorbereiteten Zettel, den ich aus meiner Geldbörse ziehe (vorgesprüht mit Parfum), drücke ihn ihm in die Hand und gehe Sam suchen. Mission erfüllt.
Sam sitzt ins Gespräch vertieft mit einem Kerl auf dem Sofa, der aussieht wie Jerry Seinfeld. Ich winke. Sie reagiert nicht. Ich winke wieder. Sie ignoriert mich absichtlich. Zeit für den siebten Kaffee.
„Wie sehe ich aus?“ fragt Sam und dreht sich im Kreis. Sie trägt ein sehr tief ausgeschnittenes schwarzes Kleid, dessen Träger hinter dem Nacken zusammenlaufen, und ein brandneues Paar schwarzer hochhackiger Stiefel. Sie trifft sich zum ersten Mal mit Philip, dem Typ aus der Sektion Wirtschaft und Karriere. Es hat sich herausgestellt, dass er selbstständig ist und gern Grisham liest. Sicher, „Die Firma“ ist vielleicht nicht ganz dasselbe wie „Wem die Stunde schlägt“, aber immerhin ist es Literatur. Er kann lesen. Und er hat angerufen. Es ist nun fünf Tage her, und Josh hat sich nicht gemeldet. Geschieht mir recht, da ich wieder versucht habe, mit einem Idioten anzubändeln, dessen Name mit einem J. beginnt. Geschieht mir recht – was bin ich auch nicht in die Abteilung Wirtschaft und Karriere gegangen? Computerbücher, bitte! Typen, die Computerbücher lesen, sind in etwa genauso vertrauenswürdig wie die Start-Up-Unternehmen, für die sie ihre sicheren, monotonen Jobs aufgegeben haben.
Sieben Tage. Warum habe ich es nicht bei den Reisebüchern versucht? Selbst bei den Kochbüchern hätte ich mehr Glück gehabt. Natalie hat mal einen Psychologen bei den Ratgebern kennen gelernt; mit meinem Händchen wäre ich wahrscheinlich an einen völlig Gestörten geraten.
Ich trage meinen Frust zum Taekwondo.
„Hanna …“, sagt Lorenzo. „Spreiz die Beine. Weiter.“
Glaube mir, das habe ich schon versucht.
Nach dem Unterricht bietet Lorenzo an, mir bei meiner ersten Übungseinheit zu helfen. Er legt seine Hände, seine großen Taekwondohände, auf meine Schulter und bringt sie in die richtige Ausgangsstellung. Es ist 19:30 Uhr, und ich träume von einer Riesenschüssel Makkaroni mit Käse, aber ich bedanke mich artig und lasse mir helfen. Ich muss diesen Bewegungsablauf drauf haben, bevor ich mich für die Prüfung zum gelben Gürtel anmelden kann. Und gelbe Gürtel machen deutlich schlanker als weiße. Im Moment habe ich eher das Gefühl, wie ein riesiges Stück Mäusespeck auszusehen.
„Sir?“ frage ich. Man muss hier jeden mit Sir anreden. Ja, Sir. Nein, Sir. Danke, Sir. Wirf mich gegen die Wand und küss mich, Sir.
„Ja?“
„Wann bekomme ich meinen gelben Gürtel, Sir?“
„Sie waren doch erst ein Mal hier, Jackie.“
„Ach so, ja stimmt, Sir.“ Hm. „Wie viel Stunden muss ich denn nehmen, Sir?“
„Mindestens zwanzig.“ Lorenzo sieht mich irritiert an.
Zwanzig? Das sind zwanzig Stunden Sport! Das sind außerdem zwanzig Stunden Sport mit dem Sexgott Lorenzo. Na dann. Ich glaube, ich werde meinen weißen Gürtel für immer behalten. Ich glaube, ich bin verliebt.
„Weißt du, wie du aussiehst?“ fragt Sir Sexgott Lorenzo. Seine Hand ruht auf meinem gebeugten Rücken, und ich kann kaum atmen. Ich versuche immer noch rauszufinden, wem
er
ähnlich sieht. Irgendwie bekannt, obwohl ich ihn, glaube ich, nie zuvor getroffen habe.
„Wie denn?“ Wie eine Schauspielerin? Deine erste Freundin?
„Chelsea Clinton.“
Hau bloß ab, Sexgott Lorenzo. Du riechst, Sir.
„Ich sehe nicht, was daran so schlimm ist“, sagt Sam. Ich sitze auf dem Badewannenrand und beobachte, wie sie fachmännisch weißes Zeug auf ihrem Augenlid verteilt und sich für ihr zweites Date mit Philip fertig macht. Sie ist noch nicht mal zwei Wochen lang Single und hat schon ein zweites Date. Ein zweites Date! Unglaublich!
„Chelsea Clinton ist bekannt dafür, keine Schönheit zu sein.“ Ich stoße einen spitzen Schrei aus, als ich merke, dass ich auf Sams nassem Handtuch sitze.
„Ich finde sie nicht hässlich.“
„Das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass sie für hässlich gehalten wird. Letterman macht sich in seiner Show andauernd über sie lustig. Wie kann jemand es als Kompliment verstehen, mit einer Person verglichen zu werden, die für hässlich gehalten wird?“
„Vielleicht findet er sie attraktiv.“
„Das ist eine irrelevante subjektive Einschätzung.“ Es hat sowieso keinen Zweck weiterzureden, weil Sam gar nicht zuhört. Heute Abend hat
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