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Großstadt-Dschungel

Großstadt-Dschungel

Titel: Großstadt-Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Mlynowski
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bestätigen die Verabredung, und ich gebe ihm meine Adresse.
    Großer Tim (also Dad) ruft um sieben an, um zu fragen, ob ich Weihnachten mit ihm und Fütter-deinen-Geist (also Bev) feiern werde.
    „Ja, ich komme nach Hause.“
    Als hätte ich was Besseres vor. Ich fasse einfach nicht, dass bald schon wieder Weihnachten ist. Bin ich schon seit einem halben Jahr in Boston?
    Iris ruft um kurz vor acht an, um zu fragen, warum ich nicht zu ihr komme.
    „Weil Janie Weihnachten nicht feiert und mein Vater schon.“
    „Da haben wir’s. Du liebst die andere Seite der Familie mehr als mich.“
    „Iris, werd nicht kindisch. Bevor ich umgezogen bin im Sommer, habe ich Wochen mit dir verbracht.“
    „Ach so, jetzt werde ich kindisch. Danke. Danke vielmals.“ Sie knallt den Hörer auf.
    Tim (mein Date, nicht mein Vater) klingelt um acht. Ich sage ihm über die Gegensprechanlage, dass er nicht hochkommen muss. Ich bin nicht in der Stimmung, ihn Sam vorzustellen, und ich bin nicht in der Stimmung, mein Bett zu machen, meine Socken im Wohnzimmer zusammenzusammeln et cetera, et cetera.
    Es ist merkwürdig, aber meine swingende Single-Sam hat mich in den letzten Tagen in keinster Weise getriezt, etwas zu putzen. Vielleicht hat ihre Trennung sie dazu verleitet, die Welt und ihren Platz in ihr neu zu bewerten und zu begreifen, dass sie nicht jedermann um sie herum kontrollieren kann wie Marionetten. Oder sie ist einfach zu beschäftigt mit ihrem neuen Schlampendasein, dass sie noch nicht darüber nachgedacht hat.
    Ich trage natürlich mein Erstes-Date-Outfit. Aber meine Haare bleiben lockig. Für den Fall, dass er mir nicht gefällt, möchte ich nicht zu umwerfend aussehen. Es ist nicht leicht, einem Typ den Laufpass zu geben, wenn er angebissen hat und verrückt nach einem ist. Nehme ich an.
    Er steht neben einem langen hellblauen Wagen, die Art von Wagen, die Kevin Arnold in „The Wonder Years“ von seinem Großvater geerbt hat. Zum Glück sieht er selbst viel besser aus als sein Auto. Und als Kevin. Schön für Julie, dass sie so einen süßen Bruder hat. Ich frage mich, ob es manchmal hart für sie ist, die Unattraktivere der beiden zu sein. Ist sie wenigstens die Cleverere? Ich hoffe nicht. Nicht dass ich wüsste, wie sich das anfühlte. Meine Schwester sieht genauso aus wie ich mit sechzehn, nur dass sie kleiner und etwas blasser ist und Körbchengröße D trägt. Wir sehen beide aus wie Janie – wir haben ihr Gesicht, Iris hat ihren Busen, ich habe ihre Oberschenkel. Und damit nicht genug, sind wir beide außergewöhnlich intelligent. Keine geschwisterliche Rivalität in dem Bereich. Nur ein gewisser Dünkel. Ich überlege, ob Julie wohl engen Kontakt zu ihrem Bruder hat. Und ich frage mich, ob manche Frauen sich nur mit ihr anfreunden, um an ihn ranzukommen. Sie würden es tun, wenn er älter wäre als sie. Ist er älter oder so alt wie ich?
    Tim oder der Typ, den ich für Tim halte, da er der Einzige ist, der hier draußen steht und dem Mann auf dem Foto sehr ähnlich sieht, lächelt mich an. Sollte Tim also keinen geheimen Zwilling haben und die beiden sich einen Spaß aus dem blöden Verwechslungsspiel machen, ist er es vermutlich. Er sieht nicht ganz genau so aus wie auf dem Foto. Andererseits sieht kaum jemand ganz genau so aus wie auf einem Foto; seine Schultern sind etwas schmaler, als ich gedacht habe (trug er auf dem Foto Schulterpolster?), aber er lächelt netter, das gleicht sich also in gewisser Weise aus.
    Anstatt auf einen Kaffee lädt er mich zu einer Ausstellung im Museum der Schönen Künste ein. Dafür verdient er sich drei Punkte: einen für seinen Einfallsreichtum, einen dafür, dass er einen Vorschlag in petto hat und nicht sagt: „Keine Ahnung, wonach ist dir?“, und einen dritten dafür, dass er gebildet ist und etwas von Dingen wie Ausstellungen versteht.
    Wir plaudern im Auto ein bisschen über Julie. Ich weiß immer noch wenig über ihn. Wie zum Beispiel, wo er arbeitet. Ich würde es allzu gern herauskriegen, aber die Frage ist delikat. Ich möchte ihm nicht den Eindruck vermitteln, dass mich nur Männer mit viel Geld interessieren, aber ich will schon wissen, ob er Zeitverschwendung ist. Was, wenn er Pornos für den Schwarzmarkt produziert? Habe ich nicht das Recht, so was sofort zu erfahren?
    Ich frage ihn, wo er herkommt.
    „Boston.“
    „Oh.“
    Er macht sich nicht die Mühe, lange um den Block zu kurven, sondern stellt sich direkt auf einen gebührenpflichtigen Parkplatz. Noch ein

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