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Großstadt-Dschungel

Großstadt-Dschungel

Titel: Großstadt-Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Mlynowski
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Last-Minute-Weihnachtsgeschenke zu besorgen. Vor einem der Fenster bleibe ich stehen und sehe mein Spiegelbild an. Warum lasse ich Bubbe Hannah in dem Glauben, ich wäre mit jemandem zusammen? Was ist, wenn ich nie jemanden treffe, den ich heiraten werde?
    Jedes Cupid-Buch basiert darauf, dass Held und Heldin von der ersten Seite an füreinander bestimmt sind. Mein Dad hat auch immer gesagt, dass auf jeden Topf ein Deckel passt. Aber das kann irgendwie nicht sein. Was passiert, wenn zwei Leute perfekt zusammenpassen, aber in unterschiedlichen Ländern leben? Das würde bedeuten, dass es im Leben mehr auf das Glück als aufs Schicksal ankäme. Ich meine, es könnte doch sein, dass die Sterne vorsehen, dass man seine wahre Liebe um Punkt drei trifft, um eine Minute vor drei aber muss man niesen und sucht in seiner Handtasche nach einem Taschentuch. Nachdem man eins gefunden und sich die Nase geputzt hat, ist die Liebe deines Lebens aber bereits um die Ecke und für immer aus deinem Horizont verschwunden. Lässt es sich am Ende darauf beschränken? Auf ein Niesen? Kein Wunder, wenn wir dann irgendwen heiraten, den wir eben Mitte, Ende zwanzig kennen gelernt haben. Dann verzweifeln wir, weil es nicht die Zwillingsseele ist. Kein Wunder, dass sich so viele Paare scheiden lassen.
    Meine Hände sind kalt. Ich brauche auch noch eine Winterjacke. Wäre ich zu meinem Vater nach Danbury gefahren, hätte ich auf seinen Einfallsreichtum in Sachen Winterjacken bauen können.
    Soll ich Jer anrufen? Nein, ich werde es nicht tun.
    Nur um zu sehen, ob er zu Hause ist. Ich könnte jederzeit auflegen. Eventuell ist er wirklich nicht in der Stadt. Vermutlich sogar. Ich sollte das herausfinden. Nur um zu sehen, ob ich meine Zeit verschwende.
    Wo ist ein Telefon? Ich muss ein Telefon finden. Ich finde ein Telefon und wähle seine Nummer, bevor ich es mir anders überlege.
    Warum mache ich das? Es klingelt. Was, wenn seine Eltern abnehmen? Ich kann nicht mit seinen Eltern sprechen. Was, wenn er nicht da ist?
    „Hallo?” Es ist seine Stimme. Er ist zu Hause. Er ist am Telefon. Ich bin mit ihm am Telefon.
    „Hi”, sage ich. „Ich bin’s.”
    „Hey!” Seine Stimme klingt fremd und vertraut zugleich. „Wie geht’s dir?”
    „Gut. Und dir? Froh, wieder hier zu sein?”
    „Teils, teils. Froh, wieder sauber zu sein. Vermisse aber das Leben. Beides.”
    „Verstehe.” Nicht wirklich. Was heißt teils, teils?
    „Wie ist Boston?”
    „Gut”, lüge ich. Mein Job ist Scheiße, außer Sam und Nat habe ich keine Freunde, und dich vermisse ich. „Wie geht’s deinen Eltern?”
    „Gut. Sie sind weg, auf Hawaii.”
    „Und du bist nicht mitgefahren?”
    „Ich bin ja gerade erst zurück. Versuche, hier wieder anzukommen.”
    Pause. Ich kann es nicht länger zurückhalten. „Ich bin hier.”
    „Hier? In New York?”
    „In New York.”
    „Wo in New York?”
    „Vor Macy’s.”
    „Komm vorbei”, sagt er, ohne zu zögern.
    Will ich vorbeikommen? Natürlich will ich vorbeikommen. „Okay.” Ich muss dringend einen Ort finden, an dem ich mich umziehen kann. Gute Idee, Wendys Seesack mit meinen Stiefeln, einer schwarzen Strumpfhose, einem schönen Rock und dem Shirt fürs erste Date mitgenommen zu haben. Nur für den Fall.
    Vor dem Apartmenthaus seiner Eltern auf der Upper East Side steige ich aus dem Taxi. Ich lächle den Türsteher an, der im 18. Stock anruft, um Jeremy zu sagen, dass er Besuch hat. Zwei, drei, vier … man sollte doch meinen, dass die Aufzüge in so einem Haus schneller sind. Was mache ich hier? Was mache ich hier bloß? Nicht darüber nachdenken. Nicht darüber nachdenken. Circa zwölf Stunden später öffnet sich die Fahrstuhltür. Warum bin ich hier? Warum basiert mein Handeln immer auf niederen Instinkten und nicht auf rationalen Überlegungen?
    Er lehnt im Türrahmen, die Arme vor der Brust verschränkt. Mein Blick gibt seinem nach, und ich fürchte, meine Knie tun gleich dasselbe.
    Wenn man seinen Ex das erste Mal nach längerer Zeit wieder trifft, hofft man doch, er möge ein bisschen schlechter aussehen. Nicht hässlich – man will sich ja schließlich nicht fragen, wieso man mit ihm zusammen war. Man wünscht sich nur, dass er ein bisschen weniger attraktiv ist, um sich zu beweisen, dass es ihm ohne dich auch nicht ganz so toll geht.
    Er hat legere Klamotten an, dunkle Jeans, marinefarbenes Sweatshirt, das seine Augen noch blauer wirken lässt, unter denen ein ungeheuer sexy wirkender leichter Schatten

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