Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Großstadt-Dschungel

Großstadt-Dschungel

Titel: Großstadt-Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Mlynowski
Vom Netzwerk:
liegt.
    Und er ist braun. So viel zum Thema weniger attraktiv.
    „Hi, du”, sagt er.
    „Hi.”
    Warum musste er ausgerechnet
das
Rasierwasser benutzen? Er weiß genau, wie sehr ich es liebe.
    Ich beuge mich zu ihm, um ihn auf die Wangen zu küssen, glaube ich wenigstens, und er zieht mich an sich. Bevor ich mir darüber bewusst werde, sind seine Lippen auf meinen und auf meinem Nacken und dann wieder auf meinen Lippen. Wir sind noch im Flur, und ich berühre schon sein Shirt, seine Arme, sein Gesicht, und seine Hände sind in meinem Haar, auf meinem Rücken, meinem Rock …
    Und so passiert es.
    „Willst du Fotos sehen?” fragt er und zieht mit der einen Hand die Decke über meine Schulter, während er mit der anderen mit meinem Piercing spielt.
    „Klar”, antworte ich schläfrig. „Aber nur, wenn wir dafür im Bett bleiben können.”
    „Kein Problem. Ich hab sie hier.” Er küsst mich auf die Stirn und zieht zwei Fototaschen aus seiner Nachttischschublade. „Ich hatte noch keine Zeit, sie in ein Album zu kleben.”
    Nur zwei Filme? Ich bin überrascht. Wir haben während eines Skiwochenendes ja schon vier verknipst. Ich vermute, er war zu beschäftigt für seine Kamera. Ich überfliege einen Stapel Fotos von Jer neben lauter Thais. Als er die zweite Tasche öffnet, stehe ich kurz vor einem Herzinfarkt. „Das sind die Leute, mit denen ich etwa einen Monat rumgereist bin”, erklärt er. „Wir sind zusammen durchs Landesinnere gezogen.” Auf dem ersten Bild ist er, ein Franzose namens François und vier Frauen. Zwei von ihnen sind groß und blond, eine ist eine blasse Rothaarige und die vierte eine kleine Brünette. Wie finde ich raus, welche die Schnalle ist? Fragen kann ich schlecht. Warum zeigt er mir die Fotos? Es folgen noch fünf weitere mit derselben Gruppe. Will er mich umbringen? Ich nähere mich dem Herzstillstand.
    Ganz toll! Eine Aufnahme im Bikini. Welche von denen ist sie?
Welche?
Oder hat er gar mit allen geschlafen? Vielleicht hat er mit allen geschlafen. Aus irgendeinem perversen Grund wäre mir das lieber. Wenn er nämlich mit allen geschlafen hätte, könnte er ja nur schlecht in eine verliebt sein, oder? Vielleicht meinte er in seinem Brief mit ‚er hätte jemanden getroffen‘, er hätte mehrere getroffen.
    Es gibt kein Bild von ihm und einer Frau, mit der er im Sonnenuntergang am Strand posiert. Keine geheimen Schnappschüsse. Hm. Normalerweise kauft er Filme mit sechsunddreißig Bildern. Habe ich schon zweiundsiebzig Fotos gesehen? Ich glaube nicht. Ich glaube, ich habe allenfalls sechsundsechzig, maximal siebenundsechzig gesehen. Schluck. Er muss welche rausgenommen haben! Er versteckt sie! Oder ein paar der Bilder waren überbelichtet. Das passiert manchmal.
    Er steckt die Fotos in den Umschlag zurück. „Ich gehe duschen. Kommst du mir Gesellschaft leisten?”
    „Nein, danke. Bin zu faul.” Ich möchte mir die Fotos noch mal genauer betrachten, ohne dass er mir dabei über die Schulter guckt.
    Ich warte, bis ich das Wasser höre. Ich hole mir die Fotos wieder und gehe sie erneut durch. Ich tippe auf eine der Blonden. Allerdings wäre das die offensichtlichste Lösung, oder? Er erwartet von mir, dass ich das denke, dabei ist es in Wirklichkeit die Brünette.
    Ich bin mir nicht ganz im Klaren, wie es nun weitergeht. Sind wir wieder zusammen? Soll ich die vergangenen Monate einfach vergessen? Kann ich das? Kann ich ihm wieder vertrauen? Vorhin, als er in die Schublade seines Nachttisches gegriffen hat, habe ich gesehen, dass die Box mit den Kondomen geöffnet war. Bringt er eine angebrauchte Packung von Thailand mit nach Hause? Und sie konnte auch nicht die ganze Zeit dort gelegen haben, weil ich die letzten zwei Jahre mit ihm zusammen war und die Pille genommen habe.
    Es wäre wirklich unanständig, jetzt die Schublade zu durchwühlen. Wirklich unanständig. Moralisch unanständig. Illegal.
    Hm. Noch höre ich das Wasser laufen.
    Ich öffne die Schublade und nehme die Box raus. Lass mal sehen. Auf der Packung steht, dass zwölf drin sein sollten. Der Karton ist in bestem Zustand. Nichts deutet darauf hin, dass er in die Nähe eines Rucksack gekommen ist. Also hat er sie nicht aus Thailand mitgebracht. Es könnte also eine ganz neue Packung gewesen sein, die er erst aufgemacht hat, nachdem ich ihn angerufen habe. Erwartungsfroh. Begierig. Das würde ich ihm abkaufen. Aber dann müssten auch noch elf Kondome drin sein, denn wir haben nur eins benutzt. Mal sehen. Vier. Es sind

Weitere Kostenlose Bücher