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Großstadt-Dschungel

Großstadt-Dschungel

Titel: Großstadt-Dschungel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Mlynowski
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vier Kondome übrig. Vier? Nur vier? Gibt es noch so eine Art Geheimfach? Wie der Reservekanister im Auto, wenn einem das Benzin ausgeht? Warum sind nur noch vier drin? Wo sind die fehlenden sieben?
    Wichtiger noch, wo
waren
sie?
    Das Wasser wird abgestellt, und ich lege hektisch die Packung und die Fotos zurück in die Schublade.
    Sieben. Er hat sieben Mal Sex gehabt in den vergangenen zwei Wochen. Seinen Urlaubssex bin ich bereit zu verzeihen. Aber New-York-Sex?
    Ich habe Schwierigkeiten, diese Information zu verarbeiten.
    Als er in das Zimmer zurückkommt, sitze ich im Schneidersitz auf seinem Bett. Der untere Teil seines Körpers ist in ein schwarzes Handtuch gewickelt. Seine nassen Haarspitzen fallen ihm ins Gesicht. Er ist so
süß
, wenn er nass ist.
    „Ich sterbe vor Hunger”, sagt er.
    Ich ziehe ihn zurück aufs Bett. „Was wollen wir essen?”
    Ich beschließe, ihn nicht vorschnell zu verurteilen – zunächst. Er könnte die Box auch vor Monaten besorgt haben, um sie mit nach Thailand zu nehmen, um sich in letzter Sekunde zu entschließen, doch nur sieben Stück einzupacken.
    „Also …”
    Ja? Was bestellen? Ausgehen? Er legt seinen Kopf auf mein Knie. „Ich habe heute ein Weihnachtsessen”, sagt er.
    „Oh.” Das sitzt. Ich schätze, ich werde Wendy darum bitten, den ganzen Tag freizunehmen. „Kannst du das nicht absagen?”
    „Leider nicht. Du hast mir nicht gesagt, dass du kommst.” Ich bemerke, wie seine Augen von Blau zu Grau wechseln. Sie machen das manchmal, je nach Licht. „Wenn du mir irgendeine Nachricht geschickt hättest, hätte ich mich für dich entschieden.”
    „Und so hast du dich für jemand anderen entschieden?” Das ist keine Frage.
    „Ich …”
    Ich habe gerade mit ihm geschlafen, und jetzt hat er ein Date. Ich habe gerade mit ihm
geschlafen
, und jetzt hat er ein
Date
. Heute Abend. Nachdem ich mit ihm geschlafen habe. Ich schiebe seinen Kopf von meinem Knie. „Wer? Wer ist es?”
    Pause. „Jackie, ich glaube nicht, dass du das wirklich wissen willst.”
    O mein Gott. Ich weiß es. Ich weiß, wer es ist. „Triffst du dich etwa mit Crystal Werner?”
    Wieder Schweigen. Dieser Mann erlaubt sich eine Menge Schweigeminuten, wenn er bloßgestellt wird.
    „Du triffst dich mit Crystal.” Ich bring mich um. Hat er sie heimlich schon immer verehrt? Hat er sie gewollt, als wir zusammen waren? Hat er nur darauf gewartet, dass sie mit ihrem Freund Schluss macht? War ich lediglich der Bettwärmer? „Schön für euch. Ich hoffe, ihr habt ein langes und glückliches Leben zusammen.”
    Er lacht. Ich fasse es nicht, er lacht. Ich erwäge den Selbstmord, und er lacht. „Es ist nichts Ernstes, nichts von Bedeutung. Wir wollen uns beide nicht zu eng aneinander binden. Ich ziehe in einer Woche nach Boston, schon vergessen?”
    Ja, vergessen. Er hat mir nie ein genaues Datum genannt, wann er kommen wollte. Und was meint er mit „wir”? Heißt das, er hätte eine ernsthafte Beziehung in Erwägung gezogen, wenn er
nicht
nach Boston ginge? Was für mich wiederum unsere eigene Beziehung in Frage stellt. Hat er mit anderen Frauen geschlafen, als wir zusammen waren, und ihnen erzählt, es sei nichts Ernstes, nichts von Bedeutung, weil er ja bald nach Thailand ginge?
    Wenn ich ihm etwas bedeutete, und sei es nur ein bisschen, dann hätte er das nicht gemacht. Er hätte mit Crystal nichts angefangen. Er hätte mit niemandem was angefangen, weder in Thailand noch sonstwo. Er hätte mich nicht als Notnagel in der Hinterhand behalten, so nach dem Motto, wenn gar nichts klappt, ist da ja noch Jackie.
    Ich muss sofort aus dieser Wohnung raus. Wenn ich auch nur eine Sekunde länger bleibe, könnte ich explodieren – und ich meine das ganz körperlich, nicht verbal. Wo sind meine Klamotten? Wo sind bloß meine verflixten Klamotten? Ich hasse ihn. Ich hasse ihn wirklich. Ich hoffe, er krepiert. Ich hoffe, er krepiert auf ganz schmähliche, qualvolle Art und Weise. Zum Beispiel könnte er von einem Hai gefressen werden. Bei vollem Bewusstsein. Oder verbrannt werden bei lebendigem Leib, aber nicht ohnmächtig werdend. Ich wünschte, ich hätte eine dieser aus einem Strumpf gebastelten Voodoo-Puppen. Ich wüsste genau, wo ich die Nadel ansetzen würde.
    Als ich mir Rock und Stiefel wieder überziehe (ich würde mir lieber die bequemen Klamotten anziehen, aber ich möchte nicht, dass er mitkriegt, dass ich mich für ihn umgezogen habe), spüre ich, wie er mich beobachtet. Ich ignoriere seinen Blick.

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