Grote, P
der in Deutschland mit dem abschreckenden Namen »Schwarze Mädchentraube« von vornherein alle Liebhaber durch das Image des Billigweins auf Abstand hielt, war die interessanteste Probe. Die internationalen Sorten hatte Martin alle an anderen Orten besser erlebt. Aber wenn sich die Weinmacher auf ihre Regionen konzentrierten, waren die Weine meist unnachahmlich – und damit unschlagbar. Diesen Wein sollte man lieber drei Jahre in den großen Holzfässern lagern, die Martin und Simion in den langen und kalten Kellergängen gesehen hatten. Die Lagerung würde ihn teurer machen. Weshalb sollteman ihn dann nicht gleich verkaufen, wie es hieß, wenn der Fetească Neagră den Kunden auch so gefiel?
Der Cabernet Sauvignon wurde der Thermovinifikation unterzogen, einer Methode, die Martin verabscheute. Die Trauben wurden auf fünfundsechzig Grad erhitzt und dann gepresst. Seiner Meinung nach verlor der Wein an Geschmack, an Farbe und Tannin. Aber so ließen sich große Mengen verarbeiten und die Farbe aus den Beerenhäuten ziehen. Der Gärvorgang lief schnell ab. Rumäniens Weinindustrie begab sich auf die Höhe der Zeit.
»Wie kommt man an knappe dreitausend Hektar Weinberge?«, fragte Simion abends im Parkrestaurant von Constanţa beim Essen, wo sich ein Ober bereit erklärt hatte, die Musik leiser zu stellen. Man konnte sich unterhalten, ohne zu schreien. Sie begannen das Abendessen mit einem Sec de Murfatlar, einem Sauvignon Blanc, der Martin nur wenig an die heimischen Weine erinnerte.
»Ich meine das Weingut, das wir heute besichtigt haben«, sagte Simion. »Bis 1989 hat alles dem Volk gehört. Und jetzt ist es eine private Gesellschaft. Wie ist die Privatisierung hier abgelaufen? Sie als Deutscher sollten das wissen.«
»Das Gut ist Teil einer Holding«, sagte Martin und erinnerte sich, was ihm ein Mitarbeiter darüber erzählt hatte, als er sich unter einem Vorwand von Simion entfernt hatte. Alles wollte er ihm nicht auf die Nase binden. »Im Jahr 2000 wurde es gekauft. Bei einer Holding weiß man nie genau, wer der Besitzer ist. Hier handelt es sich um eine gewisse EuroGroup, die etwa zwanzig Duty-Free-Shops an Rumäniens Grenzen besitzt. Es gab nach der Wende einen Fonds zum Auffangen der Staatsgesellschaften, den SOF, mit der Treuhand in Deutschland vergleichbar. Die haben dann an Investoren, woher auch immer und zu welchen Preisen auch immer, verkauft. Sechzehn Millionen Rumänen erhielten Anteilscheine am Staatsbesitz, die sie gegen Aktien einlösen konnten, aber wie und wo das geschehen ist, wer tatsächlichwas bekommen hat – ich weiß es nicht . . .« Martin starrte auf seinen Teller. Über das, was er sonst noch wusste, schwieg er besser. Er musste Simion erst länger auf den Zahn fühlen, auch wenn er ihm nur das erzählte, was öffentlich zugänglich war.
»Sie wissen eine ganze Menge für einen Fremden.«
»Vergessen Sie nicht, dass ich nach Weinbergen suche, die zum Verkauf stehen. Da muss ich mich auch für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen interessieren.«
»Dann werden Sie sicher die Preise hier kennen, als Wein-Consultant, das sind Sie doch, oder?«
Wieso blickte Simion ihn jetzt so merkwürdig an? Glaubte er ihm nicht? Martin fühlte sich unwohl, wieder sah er sich in die Rolle gedrängt, die ihm Unbehagen bereitete. Er eignete sich nicht für Geheimniskrämereien und Versteckspiel.
»In Frankreich, Italien oder Spanien liegt der Preis, soweit überhaupt was zu verkaufen ist, weit über dem Rumäniens. Obwohl hier die Preise in den letzten Jahren kräftig gestiegen sind, bekommt man für sieben- bis zehntausend Euro bereits einen Hektar. Dann müssen Sie den Boden analysieren und vorbereiten, brauchen die entsprechenden Klone, die Kellerei . . .«
»Da sind all die gut beraten, die das alles frühzeitig geregelt haben«, meinte Simion, »und die gute Beziehungen zu den früheren Besitzern oder Verwaltern hatten. Nehmen wir an, die haben zweitausendfünfhundert Hektar für je fünftausend Euro gekauft, dann sind das zwölfeinhalb Millionen.« Simion sah Martin ausdruckslos an. »Das ist nichts. Die kriegt man an jeder Ecke.«
Man konnte auch zu einer anderen Meinung gelangen. Martin erinnerte sich, wie kompliziert es für ihn gewesen war, das Kapital für die neuen drei Hektar aufzutreiben. Niemand hatte ihm das Kapital leihen wollen, bis Sichel mit einer Bürgschaft eingesprungen war. Auf lange Zeit gehörten die neuen Weinberge der Bank und nicht Charlotte undihm. »Ich glaube,
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