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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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möchte nicht, dass unsere   ... äh, unsere Verbindung bekannt wird.«
    Was war hier eigentlich los? Worum ging es? Wer waren die Beteiligten an irgendetwas, das sich Martin nicht erschloss? Unter diesen Umständen war ihm wenig nach einer Auseinandersetzung zumute, es wäre auch nicht schicklich und obendrein pietätlos gewesen, Lucien Fragen zu stellen, aber das undurchsichtige Verhalten des Rumänen ließ ihm kaum eine Wahl.
    »Sie machen mich nervös, Lucien, Ihre dauernde Unruhe überträgt sich auf mich. Ich fühlte mich bereits in Constanţa verfolgt. Und jetzt der Tod Ihrer Schwester. Was soll ich von Ihren Andeutungen halten, was hat das alles zu bedeuten? Sie sehen sich ständig um, als wäre jemand hinter Ihnen her, genau wie Ihre Schwester neulich. Am Telefon sagen Sie nichts über den Hergang des Unfalls . . .«
    »Welcher Unfall?« Lucien verzog das Gesicht. »Ein Unfall? Ha!« Er lachte kurz, um sofort in Verzweiflung abzugleiten. »Glauben Sie das tatsächlich?«
    Weshalb hätte Martin etwas anderes annehmen sollen? Er bemühte sich, den Einwurf zu übergehen, obwohl er sich an das erinnerte, was Simion dazu gesagt hatte.
    »Verheimlichen Sie mir etwas? Sie sagen, es war kein Unfall,Sie nehmen es zumindest an. Was ist mit Ihrer Schwester wirklich passiert? Wo ist sie?«
    »Sie verstehen nichts, Mister Bongers, gar nichts.«
    Martin wurde ärgerlich, er fühlte sich mit Halbwahrheiten in die Irre geführt. »Dann helfen Sie mir auf die Sprünge, klären Sie mich auf, weihen Sie mich ein, statt mir etwas vorzuwerfen. Ich habe nie behauptet, Ihr Land zu kennen.« Da erst wurde ihm bewusst, dass er sich im Ton vergriff, dass Lucien weitaus Wichtigeres auf dem Herzen hatte, als sich mit ihm zu beschäftigen – er trauerte um seine Schwester. Er saß vor ihm wie ein Häufchen Unglück. Der Riese war zusammengesunken, hatte das Gesicht in den Händen verborgen, und als er sie von dort wegnahm und auf den Tisch legte, schwammen seine Augen in Tränen.
    »Sie haben keinen Grund, mir zu misstrauen, Mister Bongers. Eher ist es umgekehrt. Ich weiß nichts von Ihnen, wer Sie sind, was Sie hier wollen, für wen Sie arbeiten, mit wem Sie sich treffen – ich weiß lediglich, dass Sofia Ihnen vertraute, und da sie jemand mit einem perfekten Gespür für Menschen ist – war   –, reicht mir das. Sie wollte nicht, dass Sie in die falschen Hände geraten. Ich erinnere nur an Tudor Dragos. Sofia berichtete mir von Ihrem Besuch – und von dem abrupten Ende, als sie zu ihrem Chef gerufen wurde. Dass er auf das Gespräch so heftig reagierte, bedeutet, dass man sie bereits längere Zeit beobachtete und dass sicher auch ihre sonstigen Kontakte überprüft wurden, ihre Bewegungen . . .«
    »Wer sollte sie überwachen und aus welchem Grund?«
    »Wer?« Lucien rümpfte die Nase voller Verachtung, aber sie galt nicht Martin. »Wer? Was für eine Frage. Da gibt es bei uns genügend Leute, die das können und die nicht erst seit Ceauşescus Ende Erfahrung darin haben. Etwa achtzig Prozent aller ehemaligen Securitate-Agenten wurden in den neuen Geheimdienst SRI übernommen. Der Rest landete in der Privatwirtschaft. Womöglich sind auch einige in den Konzern übernommen worden, wissentlich oder unwissentlich,bei dem ich beschäftigt bin. Vierzigtausend offizielle und vierhunderttausend inoffizielle Mitarbeiter hatte die Securitate. Es klingt abwegig, aber das ist es nicht: Der Putsch gegen Ceauşescu wurde von der Securitate mitinszeniert. Auf diese Weise hat sie sich über die Wende gerettet – sich und die KP mitsamt ihren Strukturen. Viele damalige Mitglieder mögen heute tot sein, aber ihr Geist nicht – und Kinder haben diese Leute auch. Von ihnen wurde dieser Staat umgebaut und den veränderten Verhältnissen angepasst. Als Deutscher sollten Sie das wissen. Ihr Geheimdienst wurde nach dem Zweiten Weltkrieg auch von ehemaligen Nazis aufgebaut, die Organisation Gehlen, der heutige Bundesnachrichtendienst – und Ihre Stasi-Leute, wo sind die jetzt?«
    »Jedenfalls nicht im Staatsdienst.«
    »Ach nein? Eine derartige Einstellung spricht zwar für Ihren guten Glauben, aber nicht unbedingt für Ihre Intelligenz.«
    Es fiel Martin schwer, auf diese Frechheit nicht zu reagieren, oder hatte Lucien recht?
    Der richtete sich auf, die Stimme gewann an Kraft, in seinem inneren Bergwerk wurde die Arbeit wieder aufgenommen. »In Ihrer Stasi-Unterlagen-Behörde arbeiten sechsundfünfzig frühere Mitarbeiter des Ministeriums für

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