Grote, P
aus Edelstahl, eine Kolonne gewaltiger Kessel, die Halle dahinter war wie die anderen in den Zeiten des kollektiven Weinbaus errichtet worden und reif zum Abriss. Aus jener Epoche mochten auch die Farben der Gebäude stammen, ein schmutziges, dunkles Gelb und ein verwaschenes Bordeauxrot. Das hier war keine Kellerei, es war eine Weinfabrik, der noch immer das Stigma der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft anhaftete. Es war nicht das, was man sich landläufig unter einem Weingut vorstellte.
In der Empfangshalle wurden sie erwartet. Martin hatte angerufen und Simion als einen amerikanischen Kollegen angemeldet. Hier machte alles einen sauberen und gepflegten Eindruck, doch es war ein wenig wie eine Zeitreise. Man begleitete sie ins Werksmuseum, zeigte ihnen Amphoren und mit Weinlaub verzierte steinerne Fragmente der römischen Besatzungszeit und ließ sie Fotos von Skulpturen und Torsi anmutiger Jünglinge mit Weinkrügen bestaunen. Auch die grob gezimmerte Vorgängerin einer hölzernen Korbpresse fehlte nicht.
Martins Besichtigungstour begann normalerweise mit einem Rundgang durch die Weinberge und die Keller, da erschloss sich ihm bereits vieles. Dann nahm er sich Zeitzum Verkosten und für Gespräche über die Philosophie des Gutes und die daraus resultierenden Weine. Die hiesige Philosophie war die der Macht. Ein knappes Drittel aller rumänischen Weine stammte aus Murfatlar. Martin kannte keine andere Kellerei mit einer derart marktbeherrschenden Stellung. Ein solches Weingut, wenn er Bordeaux mit seinen zehntausend Winzern als Maßstab nahm, empfand er als zutiefst undemokratisch.
Als der Vertreter des Weingutes die Frage nach dem Klima behandelte, hörte Martin kaum zu. Simion bemerkte es und warf ihm einen sowohl strafenden wie fragenden Blick zu. Es war die Rede davon, dass hier das Schwarze Meer einen ähnlichen Einfluss ausübte wie der Atlantik auf Bordeaux. Was für ein Unsinn. Man brauchte nur auf das Thermometer zu schauen, um zu merken, dass diese beiden Regionen nichts miteinander zu tun hatten. Und der Boden, das hatte er sogar im Vorbeifahren bemerkt, war völlig anders. Aber Martin schwieg, er war nicht zum Diskutieren gekommen. Doch was sollte er mit Informationen, die mehr dem Marketing als der Wahrheitsfindung dienten?
Dann wieder hieß es, der Boden und das Klima hier entsprächen dem der Champagne. Der geringe Kalkgehalt des Bodens fand seinen Ausdruck im Wein. Es war ein Chardonnay von 2006 mit dem Namen
trei hectare.
Er war hervorragend, aber er entsprach weder Weinen aus Entre-deux-Mers noch der Champagne. Es war ein delikater, weicher Wein, der seine Frische behielt, obwohl er im Barrique ausgebaut war. Vielleicht lag es daran, dass das Holz sehr gut eingebunden war und den Geschmack gelber Früchte nicht zerstörte, oder dass man ihn in bereits genutzten Eichenfässern ausbaute, die nicht mehr so viel Lignin an den Wein abgaben. Jedoch das Delikate und Filigrane, das kalkhaltiger Boden mit sich brachte, fehlte völlig.
Die zweite Probe war ein Muskat-Ottonel, die Rebsorte kannte Martin aus Österreich. Wäre hier, trotz der Nähezum Meer, der Kalkgehalt im Boden groß gewesen, hätte diese Rebsorte wenig Chancen. Sie reagierte empfindlich auf Chlorose: Zu viel Kalk ließ die Blätter vergilben und absterben, die Photosynthese wurde unterbrochen, die Stöcke starben. Bei diesem Wein, »unserem Bestseller«, wie es hieß, hatte Martin den Eindruck, der auch von anderen Weinen immer wieder bestätigt wurde, dass alle Weine zu fett, das hieß, die Böden dieser Gegend zu schwer waren – Säure und Frische, Leichtigkeit und Eleganz blieben auf der Strecke. Er hatte einen bösen Gedanken, der sich leise einschlich und heimlich breitmachte, wie alle bösen Gedanken: Es ist das Terroir, das den Wein macht – und damit vielleicht auch den Menschen?
Beim Wein mit dem Namen »Tränen des Ovid« war der Alkohol künstlich auf fünfzehn Volumprozent aufgespritet worden. Es sollte ein Wein ähnlich einem Port sein, einem Madeira oder Sherry. Wieder verstärkte sich Martins Eindruck, sich in einer Fabrik aufzuhalten, die technisch bestimmte Produkte herstellte, nach denen ein anonymer Markt verlangte oder dahin gebracht wurde, danach zu fragen. Die Tränen des Ovid waren eine Cuvée aus Pinot Grigio, Chardonnay und Traminer. Es fehlte nur noch das Salz der Tränen. Hier entschieden Labor und technischer Standard, was aus der Kellerei kam, und nicht der Weinberg.
Der Fetească Neagră,
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