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Grote, P

Grote, P

Titel: Grote, P Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wein des KGB
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könntees mit ihm ein oder zwei Tage lang ausprobieren. Wie ließ sich seinen Gesprächspartnern gegenüber Simions Anwesenheit erklären? Außerdem erwartete er den Dolmetscher, der mit ihm deutsch reden würde, der Amerikaner hätte nichts davon. Die Situation nagte an seiner Laune, Martin spürte seinen Missmut, wie immer, wenn er unentschieden war und sich zu etwas durchrang, was er im Grunde genommen nicht tun wollte. Egal was er auf dieser Reise begann, es endete in Frustration. War Simion die Ausnahme? Wenn nein, könnte er sich auf der Stelle von ihm trennen, wenn ja, dann sollte er es versuchen.
     
    Sie fuhren mit zwei Wagen hintereinander aus der Stadt heraus über ein breites Asphaltband, eingerahmt von ärmlichen Häuschen und wild wuchernden Gärten. Die Straßenränder waren mit Wahlplakaten zugeklebt, der Himmel von quer über die Straße gespannten Spruchbändern verdeckt. Von rechts, von links und von oben sahen wichtig dreinblickende Politiker Vertrauen heischend auf Martin herab, Gesichter von Apparatschicks der Parteien, Verbände, Gewerkschaften und ähnlich obskurer Organisationen. Kommunalwahlen standen bevor, eine neue alte Riege war angetreten, sich aus der maroden Staatskasse und dem prallen Geldsäckel der Europäischen Union zu bedienen. Die Gegenleistung würde katastrophal sein. Aber die Zukunft sollte besser werden, das meinte Martin, einem der Plakate entnommen zu haben.
    Darüber hinaus verwirrten ihn die am Straßenrand liegenden Hunde, er fürchtete, sie könnten aufschrecken und ihm vor den Wagen laufen. Hunde streunten hier wie in Bukarest durch die Straßen, herrenlose Köter, einzeln oder als Meute, denen Futter auf den Gehsteig gestellt wurde. Dass seine Befürchtungen berechtigt waren, zeigten die plattgefahrenen Kadaver, ausgetrocknet oder noch blutig, und je häufiger er sie sah, desto mehr ekelte er sich davor.
    Die Schrott sammelnden Kinder erinnerten ihn an dieSzene am Vortag. Jetzt erst verstand er den Sinn der skurrilen Aktion am Steilufer. Die Männer waren Schrottsammler – und er hatte sich gefragt, was man mit dem verrosteten Schrank anfangen könnte. Die Jungen hier waren dunkelhäutig und ebenfalls halb nackt, rotzfrech diskutierten sie mit Erwachsenen, zumindest sah es Martin so, als sie die Kreuzung überquerten und sämtliche Fahrzeuge zum Anhalten zwangen. Er hielt sie für Zigeuner.
    Bis nach Murfatlar brauchten sie eine halbe Stunde.
    Er war nie in Begleitung auf Weingütern erschienen, auch nicht mit anderen Weinhändlern, denn jeder versuchte, für sich die besten Konditionen auszuhandeln, den Konkurrenten die Bezugsquellen nicht zu verraten und sich nicht in die Karten sehen zu lassen.
    Das Weingut hatte er bereits gestern passiert, der Flachbau auf der Anhöhe, im Stil der Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts, verdeckt von einigen Bäumen, war ihm aufgefallen, besonders die lange Baumreihe, die dort hinführte, gefiel ihm. Die Straße jedoch weniger. Die Lücken zwischen den Betonplatten waren breit und tief, die Platten gebrochen. Auf der rechten Seite zogen sich von Wirtschaftswegen abgegrenzte Weingärten weit ins Land, links wurden sie vom nahen Dorf begrenzt. Im Süden reichten sie bis weit über die Bahnlinie hinaus, bis an den Donau-Schwarzmeer-Kanal. Nach Norden hin verloren sich die Rebzeilen im Dunst. Und das war bei Weitem nicht die gesamte Fläche. Zum Weingut gehörten mehr als zweitausendzweihundert Hektar, das entsprach der Hälfte von Saint-Émilion, und das gesamte Rheingau umfasste gerade mal siebenhundert Hektar mehr   ...
    Simion und Martin parkten ihre Wagen gegenüber vom Haupteingang im Schatten. Martin blieb sitzen, er rief Sofia noch einmal an.
    »Ich kann Ihnen jetzt schon mehr sagen«, flüsterte die vorwurfsvolle Sekretärin in den Hörer. »Sie hatte einen Unfall,ist mir gesagt worden. Sie kommt heute auf keinen Fall mehr ins Ministerium – habe ich gehört   –, sie ist im Krankenhaus. Mehr weiß ich auch nicht.«
    Einen Unfall? Martin erschrak. Er war wie vor den Kopf gestoßen. Vor seinem inneren Auge spulten sich die Bilder vom Gespräch im Ministerium und vom Ausflug mit ihr und ihrem Bruder ab, er erinnerte sich an ihre Unruhe und den unsteten Blick. Ein Unfall?
    Es klopfte an die Scheibe, Martin schrak auf. Simion lächelte auffordernd an der Wagentür, und Martin erwachte aus seiner Starre. Gemeinsam gingen sie auf das Verwaltungsgebäude zu. Es wirkte abgeschabt und verbraucht. Linkerhand standen neue Tanks

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