Grote, P
sicheren Ort deponieren.«
Dass eine Kopie auf dem Weg zu Sichel war, brauchte Lucien nicht zu wissen. Er zeigte ihm zu viel Interesse, und Martin konnte nicht überprüfen, was dahinterstand. Lucien war Martins Zurückhaltung nicht entgangen, und er machte einen Rückzieher. »Ich möchte lediglich, dass die Liste nicht in falsche Hände gerät. Sie können mit den Namen nichts anfangen, sie nicht zuordnen, aber ich könnte Ihnen sagen, was sie eventuell bedeuten. Ich will lediglich einen Blick darauf werfen.«
Das könnte nichts schaden, dachte Martin, und ihm konnte es nutzen. Vielleicht hatte dieser Harms sich nur aufspielenwollen, ein Schaumschläger, vielleicht sogar ein Betrüger – aber dann erinnerte sich Martin an den Zodiac, und der war über jeden Zweifel erhaben.
»Haben Sie von einem Wein oder Weingut gehört, das Zodiac heißt?«
Lucien bedauerte. »Nein, leider war der Wein nie mein Thema. Das war Sofias Domäne – und früher die unseres Vaters. Ich könnte einen Freund fragen, wenn es Ihnen wichtig ist – ach, das ist der Freund, den ich Ihnen als Dolmetscher vorgeschlagen habe, Josef Teubner.«
»Ist der Mann vertrauenswürdig oder Ihnen verpflichtet? In welchem Verhältnis stehen Sie zu ihm? Einen Aufpasser wie zu sozialistischen Zeiten will ich nicht, schlagen Sie sich das aus dem Kopf.«
»Sie unterschätzen mich, und Sie misstrauen mir«, sagte Lucien gekränkt, »allerdings verstehe ich das. Ich würde an Ihrer Stelle ähnlich reagieren. Was ist nun? Kann ich die Namensliste sehen?«
»Wenn Sie mit ins Hotel kommen . . .«
»Wir sollten getrennt fahren. Sie nehmen ein Taxi? Ich werde dem Wirt sagen, dass er eines für Sie bestellt. Ich komme nach, wenn Sie losgefahren sind. Lassen Sie Ihr Geld stecken«, sagte Lucien, als Martin nach der Brieftasche griff. »Den Kaffee kann ich mir gerade noch leisten, auch wenn wir ein armes Land sind.«
Eine halbe Stunde später betrat Martin das Zimmer 704 – und erstarrte: Sein Koffer war aufgebrochen, Dokumente lagen verstreut auf dem Boden und dem Bett, die Schubladen waren nach der Durchsuchung nicht einmal richtig zugeschoben worden – da hatte sich jemand so sicher gefühlt, dass er noch nicht einmal den Anschein erwecken wollte, dass alles seine Richtigkeit hätte.
Martin war nicht besonders überrascht. Nicht dass er damit gerechnet hätte, aber nach dem Eindruck, den er vonLucien gewonnen hatte, und nach dem gewaltsamen Tod von Sofia folgte die Durchsuchung seines Zimmers einer gewissen Logik. Er blieb ruhig im Zimmer stehen und betrachtete das Chaos. Dann durchsuchte er die Unterlagen, die er im Koffer eingeschlossen hatte. Wie erwartet fehlte Harms’ Namensliste. Bevor er wieder auf den Flur trat, sah er sich um, so wie Sofia und Lucien es gemacht hatten. Es war niemand zu sehen, in einem anderen Zimmer plärrte der Fernsehapparat. Martin fuhr hinunter und ging zur Rezeption.
»Würden Sie bitte die Polizei rufen?«
Der Portier sah ihn erschrocken an. »Die Polizei? Weshalb?«
»In meinem Zimmer ist eingebrochen worden . . .«
»Sind Sie sicher?«
». .. und ich will, dass die Polizei der Sache nachgeht.«
»Ich rufe den Hoteldirektor an«, entgegnete der Portier.
»Das können Sie meinetwegen tun, aber erst rufen Sie die Polizei.«
»Weshalb das?«, raunte das Bergwerk in Martins Ohr, Lucien war hereingekommen.
»Sie gehen besser wieder, oder Sie werden da mit reingezogen. Man hat mich bestohlen. Mein Zimmer wurde durchsucht, der Koffer aufgebrochen, und mir sind Unterlagen entwendet worden. Das, was Sie sehen wollten, ist weg. Ich rufe Sie morgen an.«
»Bitte tun Sie das«, sagte der Riese und war verschwunden.
11
»Mister Bongers, wachen Sie auf! Hallo! Martin!«
Martin zog die Schulter weg, die Berührung war ihm unangenehm. Er wollte schlafen, er war hundemüde, der Nacken war steif, und der Rücken tat ihm weh. Zu blöd, dass er eingeschlafen war. Er wollte nicht mit irgendwelchen Geschäftsleuten reden, er wollte keine Weingüter kaufen, nichts über Bodenpreise in Erfahrung bringen und auch mit niemandem über die Weitergabe undurchschaubarer Listen verhandeln, deren Bedeutung ihm kaum verständlich war. Er wollte schlafen, sich an Charlotte schmiegen, seine Wange an ihre warme Schulter legen und sich die Decke über den Kopf ziehen.
Aber die Stimme gab keine Ruhe. Er wollte sich aufrichten und fiel zu Seite, merkte, dass er auf der Sitzgarnitur der Eingangshalle des Hotels eingeschlafen war, und vor ihm
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