Grote, P
oder selbst mit ihm gesprochen?«
»Es war die gängige Methode der Securitate, um politische Gegner zu beseitigen. Ein Verkehrsunfall ist was Alltägliches, besonders bei der Fahrweise meiner Landsleute, das haben Sie sicher bereits zu spüren bekommen. Früher hieß es dann noch, jemand sei in den Westen geflohen und untergetaucht. Wir hatten keine Möglichkeit, das zu überprüfen. Und die meisten hatten Angst. Ob ich den Zeugen getroffen habe? Nein. Ich kenne nicht einmal seinen Namen, man hält ihn von mir fern.«
»Und jetzt glauben Sie . . .«
»Ja, das tue ich. Und da Sie bei diesem Schlüsselgespräch dabei waren, wird man auf Sie auch aufmerksam geworden sein. Passen Sie auf.«
Martin wischte den Gedanken beiseite. »Die Polizei wird sicher ermitteln ... Es gibt Spuren an Sofias Kleidung, Lackspuren an der Unfallstelle, Kratzer und Beulen am Fahrzeug . . .«
»Hier hat jedes Auto Kratzer.« Wieder dieses zynische Lachen, dazu das Grollen aus dem einstürzenden Stollen des Bergwerks. »Die Polizei tut, was man ihr sagt. Polizisten und Richter werden von Politikern eingesetzt, Gewaltenteilung funktioniert nicht, so wie Sie es kennen, die ist nicht vorgesehen. Glauben Sie, dass die Richter etwas unternehmen, was den Interessen ihrer Dienstherren zuwiderläuft? Bei uns wird sogar die Kriminalstatistik als geheim eingestuft.«
Für Martin klang das unwahrscheinlich. »Man kann gar nichts unternehmen? Schließlich ist Rumänien Mitglied in der Europäischen Union und an gewisse Gesetze gebunden.«
Lucien sah ihn nur verzweifelt an. »Soll ich vor den EuropäischenGerichtshof gehen? Mit welchen Beweisen? Mit welcher Anklage? Mit welcher Forderung?«
»Sie machen nicht den Eindruck eines Mannes, dem nichts einfallen würde, Lucien!«
Der Rumäne winkte ab und häufte in seiner Verzweiflung vor sich zerbrochene Streichhölzer auf. »Ich kann es nicht fassen, dass sie tot ist. Erst unser Vater, jetzt sie. Wie soll ich allein weitermachen? Wozu? Für wen?«
Martin suchte nach Worten des Trostes, aber er fand sie nicht. Er durfte nicht von seinen Erfahrungen beim Tod von Gaston sprechen, es hätte womöglich seine Tarnung zerstört, und letzten Endes ging ihn die Sache mit Sofia nichts an. Oder doch? Er zögerte, er dachte an Elmar Harms und sprach den Namen noch einmal laut aus. Jetzt hörte Lucien ihm endlich zu.
»Ich glaube, dass Sie ihn kennen. Als ich seinen Namen neulich erwähnte, meinte ich, das an Ihrer Reaktion und der Ihrer Schwester bemerkt zu haben. Sagen Sie nicht, dass Sie ihn nicht kennen. Wer ist er? Was macht er?«
»Was haben Sie mit ihm zu tun?«
»Beantworten Sie Fragen immer mit Gegenfragen? Also kennen Sie ihn. Woher?«
»Er ist Deutscher, so wie Sie.«
»Das habe ich bemerkt.«
»Er macht eine ähnliche Arbeit wie Sie, Sie kommen ihm in die Quere, wenn Sie weiter nach Weingütern suchen. Er hat die Verbindungen, die Sie suchen und brauchen, wenn Sie hier Geschäfte machen wollen. Oder er glaubt, Sie gehören zu seinen Leuten, man könnte Sie geschickt haben.«
»Sie meinen, er gehört zu diesen Kreisen, die Ihre Schwester beobachtet haben?«
Lucien nickte.
Noch wehrte sich Martin dagegen, ihm zuzustimmen, doch das, was Lucien vermutete, war nicht von der Hand zu weisen. Aber er wusste zu wenig. »Harms hat mit mir Kontaktaufgenommen, erst im Hotel in Bukarest und jetzt in Constanţa.«
Lucien stieß den Zigarettenrauch hörbar aus. »Da bin ich aber erleichtert.«
»Sie sprechen in Rätseln.«
»Wir dachten, nachdem Sie den Namen genannt hatten, dass Sie zusammenarbeiten.«
»Er hat mir eine Liste mit Namen gegeben, die anscheinend die Weinwelt und mit ihr verbundene Personen aus der Wirtschaft enthält. Anwälte sind dabei und Behördenvertreter, Landwirtschaft, Umweltamt, Gesundheit – auch Banken sind aufgeführt, mögliche Kreditgeber . . .«
Lucien warf sich vor Überraschung fast über den Tisch. »Kann ich die Liste haben? Ich meine – darf ich einen Blick hineinwerfen?« Der letzte Satz war so heftig gekommen, dass die anderen Gäste herschauten. Lucien bemerkte sein auffälliges Verhalten und sank auf seinen Stuhl zurück. »Es könnte sein, dass das genau die Leute sind, die Sofia gesucht hat. Wo haben Sie die Aufstellung?«
»Im Hotel, in meiner Aktenmappe. Ich habe nicht gedacht, dass es sich um derart brisantes Material handelt.«
»Sind Sie wahnsinnig? So etwas zu besitzen kann Sie Kopf und Kragen kosten. Wir sollten sie schnellstmöglich an einem
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