Grounded (German Edition)
Ahnung“, sagte er. Nathalie schenkte ihm ein gezwungen wirkendes Lächeln, während sie ein paar Haarsträhnen hinter das linke Ohr strich. „Es stimmt ja, dass ich mir mehr Mühe geben muss. Und dass mein Noten zur Zeit ziemlich schlecht sind“, erwiderte sie, „nur dass ich faul bin, das ist einfach nicht wahr.“ Der Trotz des zu Unrecht Bestraften trat auf ihr Gesicht. „Mathe zum Beispiel. Ich verstehe das Ganze einfach nicht. Das ist wie … Chinesisch, was sie da manchmal erzählt und an die Tafel pinselt. Das macht alles keinen Sinn. Ach, warum erzähle ich dir das überhaupt? Tut mir leid, ich wollte dir nicht die Ohren volljammern.“
Danny stützte nachdenklich das Gesicht in die Handfläche. Er war zwar selbst kein Genie in Mathe, aber seine Zensuren hatten sich doch bisher immer in annehmbaren Bereichen bewegt. Letztlich bestand Mathematik ja zum Großteil aus Formeln, die man beliebig anwenden konnte, sobald man sie erst einmal verstanden hatte. „Also, wenn du willst, helf ich dir ein bisschen. Ich könnte dir das ein oder andere bestimmt erklären. Bei den Hausaufgaben und so“, sagte er, in der Hoffnung, dass sie nicht auf der Stelle durchschaute, dass er ihr nicht nur aus purer Gutherzigkeit unter die Arme greifen wollte, sondern ebenfalls darauf hoffte, sie näher kennenzulernen.
„Nein, ist schon gut. Ich brauch nur ein bis schen Zeit, dann läuft das schon wieder. Etwas mehr Schlaf wäre auch schön“, fügte sie leise hinzu und rieb sich die Stirn.
Ihr Gesicht wirkte müde, die Augen waren leicht gerötet und ohne frischen Glanz.
Danny musste wohl enttäuscht ausgesehen h aben, denn Nathalie fügte erklärend hinzu: „Zur Zeit hab ich ziemlich viel um die Ohren. Wir haben vor Kurzem Familienzuwachs bekommen und seit das Baby da ist … naja, es fällt mir einfach schwer, mich richtig auf den Unterricht zu konzentrieren. Ist alles ein wenig chaotisch daheim.“
„Verstehe“, murmelte Danny nickend. Er war sich sicher, dass sie ihm auf die Schliche gekommen war und bloß nach einer nett klingenden Entschuldigung suchte, mit der sie sein Angebot unauffällig ausschlagen konnte. Bevor er sich noch weiter blamieren konnte, trat er am besten den Rückzug an.
Nathalie seufzte. „Wenn ich es mir recht übe rlege, wäre es natürlich schon nett, wenn du mir vielleicht bei den Hausaufgaben, die wir heute aufbekommen haben, helfen könntest. Diese Graphen und Variablen, ich raff’s einfach nicht“, lenkte sie ein, in der Hoffnung, dass sich Dannys Miene wieder etwas aufhellen würde. Nach dem, was sie gehört hatte, schien das Leben des Neuen zur Zeit ebenfalls alles andere als einfach zu sein. Und es entsprach ja auch der Wahrheit – nichts von dem, was in der heutigen Mathestunde gesagt worden war, ergab in ihrem Kopf irgendeinen Sinn. Blabla, Steigung, blabla xy, Quadrat, Ableitung.
Danny lächelte nun tatsächlich. „Soll ich’s dir jetzt gleich erklären?“, fragte er und warf einen Blick auf seinen Mathehefter, der noch geöffnet auf dem Tisch lag.
„Lass uns das doch in der großen Pause m achen. Dann ist auch etwas mehr Zeit. Jetzt, so zwischen Tür und Angel, versteh ich es garantiert nicht.“
„Äh, ja. Stimmt. Machen wir’s so.“ Die anderen kehrten bereits einer nach dem anderen wieder in den Raum zurück.
„Danke. Ist wirklich lieb von dir, Danny“, hö rte er Nathalie noch sagen, bevor er sich wieder auf seinen Stuhl setzte.
Sie kennt also doch meinen Namen . Und für einen Moment lang dachte Danny, dass diese Stadt vielleicht doch kein großer, energieraubender Alptraum war.
*
Ich riss mich aus meinen Gedanken.
Die letzten drei Jahre waren, zumindest, wenn ich jetzt an sie zurückdachte, wie im Flug vergangen. Diese Feststellung machte ich nicht zum ersten Mal.
Jetzt, da ich meine Ausbildung begonnen hatte und Nathalie Journalismus studierte, sahen wir uns seltener als früher. Viel zu selten , fand ich, während ich meine Freundin im Kreis herumwirbelte und ihr damit ein verzücktes Kichern entlockte. „Mir wird schwindlig, langsamer!“
Anna fiel Jan am anderen Ende des Raumes voller Begeisterung um den Hals. Aufgeregt gestikulierend stürmte sie zu der nächststehenden Tante und fuchtelte mit dem Gutschein vor deren Nase herum. Der Geschwindigkeit nach zu urteilen, mit der sie von Gast zu Gast hastete, schien sie sich vorgenommen zu haben, alle dreiundsechzig Anwesenden innerhalb von zehn Minuten über die gute Neuigkeit in Kenntnis zu
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