Grounded (German Edition)
einfallen. Ich sah sie plastisch vor mir, das pseudodiabolische Grinsen auf den bleichen Gesichtern, die Arme betont lässig vor den viel zu nackten Oberkörpern verschränkt. Es war zum Verrücktwerden, der Name war simpel gewesen, das wusste ich noch.
Schließlich kapitulierte ich. Es half alles nichts, ich würde sie fragen müssen. Ich stand auf und ging ins Wohnzimmer. Über den Bildschirm flackerte das Bild von zwei jungen und attraktiven Menschen, die einander verliebt anschauten und zu romantischer Musik langsam über die Tanzfläche schwebten.
Ell saß zusammengerollt auf dem Sofa und heulte. Die leer gegessene Eispackung inklusive einem schmutzigen Löffel verunzierte den Couchtisch.
„Seit wann heulst du bei Happy Ends, Prinze ssin?“ Ich setzte mich zu ihr. Ell zuckte zusammen, als sie mich bemerkte und sah erschrocken auf. Dann vollführte sie eine wegwerfende Handbewegung, schnäuzte sich in ein Taschentuch und schluchzte weiter.
„Es ist e-einfach nur unfair.“ Ich wartete auf nähere Erläuterungen. „Das echte Leben ist niemals so! Nie!“ Sie fuchtelte wütend in Richtung des Fernsehers. „Erst bricht er ihr das Herz und labert davon, dass sie sich trennen müssen, weil es ja das Beste für alle ist und sie weint tagelang und ihre ganze Welt bricht zusammen und sie muss alleine zum Abschlussball gehen und tapfer die Zähne zusammenbeißen, weil alle anderen mit ihrem Freund hingehen, nur sie nicht. Und dann auf einmal steht er natürlich in der Menge und hat diesen bescheuerten Anzug an und hat auf sie gewartet und nimmt sie in die Arme und alles ist vergessen und vergeben, weil sich die ganzen vorigen Probleme offenbar plötzlich in Luft aufgelöst haben, und alle sind glücklich und sie kriegt ihr bescheuertes Scheiß-Happy-End.“ Sie schlug frustriert mit der Faust neben sich ins Sofapolster.
„Genau das, was die Zuschauer sehen wollen.“
„Natürlich wollen das alle sehen! Hoffnung wird belohnt, nach Regen kommt Sonne, blabla. Das wollen alle, natürlich. Aber wie oft stehst du im echten Leben rum und alles ist beschissen und du hoffst, dass du ein Happy End kriegst, dass sich plötzlich alles zum Guten dreht und du glücklich sein kannst, während der Abspann durchs Bild rollt? Mir geht das andauernd so. Alles ist beschissen und ich halte die Luft an, denn in Filmen kommt ja an dieser Stelle normalerweise das Happy End. Aber weißt du was? Im echten Leben passiert das nicht. Nie.“ Ich rutschte zu ihr heran und nahm sie in die Arme. Ihr verschmiertes Make-up ruinierte meinen Pullover, aber das war egal. „Mich kommt niemals einer retten, wenn’s mir scheiße geht. Es wird nicht alles gut und Jungs kümmern sich auch nicht drum, ob sie dir weh getan haben oder denken sich tolle Überraschungen aus, um alles wieder gut zu machen. Stattdessen stehst du halt da und musst zusehen, wie du fertig wirst. Wie du dich wieder aufrappelst und auf die Reihe kriegst und niemand nimmt dir das ab. Ich hasse das Fernsehen, dass es immer so tut, als würde magisch wieder alles gut werden, denn das stimmt einfach nicht. Deine Freunde haben keine ultra-tolle Überraschung für dich parat oder machen den Kerl zur Sau, nee, die machen ein ratloses Gesicht und der Typ, der an Allem Schuld ist, bleibt verschwunden und überlegt es sich sicher nicht nochmal anders.“ Sie unterbrach sich regelmäßig um zu schluchzen oder aufgebracht zu gestikulieren. Ich ließ sie gewähren und blieb einfach nur bei ihr und hörte zu. Arme kleine Prinzessin. „Aber vielleicht bin es auch einfach nur ich. Vielleicht haben alle anderen ein Happy End, nur ich nicht. Meinst du, das ist es? Aber warum? Ich versteh das nicht. Ich hab doch nichts falsch gemacht, oder? Und wenn, dann nicht mit Absicht. Sicher nicht.“
Ich küsste Ell auf die Stirn. „Man sollte die Filmemacher verklagen. Vorgaukeln falscher Tatsachen und so.“
„Ja, ganz genau.“ Allmählich gewann Elena i hre Beherrschung zurück.
„Schlechtes Date gehabt?“
Jetzt heulte sie wieder. „Schlecht ist gar kein Ausdruck!“ Mein Vater steckte den Kopf ins Wohnzimmer, anscheinend war er gerade nach Hause gekommen und wir hatten ihn nicht gehört. Ich bedeutete ihm mit einer Geste, sich leise zu verhalten und uns nicht zu stören. Er verschwand stillschweigend ins Bad, Ell bekam von alldem nichts mit.
„Wir waren in diesem ganz tollen Laden, da gab es Milchshakes. Richtig tolle Milchshakes, ganz kalt und cremig und sahnig und lecker. Und der Boden
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