Grounded (German Edition)
das erste Mal geküsst hatte. Damals hatte sie genau dasselbe zu mir gesagt.
*
„Und um die Steigung des Graphen berechnen zu können—“
Nathalie seufzte. „Müssen wir denn die ganze Zeit Mathe machen? Mein Kopf raucht, ich will nicht mehr. Noch ein Graph und ich schlage meinen Schädel an die Wand, bis er platzt. Oder die Wand.“
„Naja. Eine kleine Pause wird nicht schaden. Und bevor sich deine Nachbarn wegen Lärmbelästigung beschweren … so eine Kopf-gegen-die-Wand-Aktion soll ja verhältnismäßig laut sein“, sagte Danny und klappte das Mathebuch zu. Er hatte von dem Kram auch genug, wenn er ehrlich war.
„Ach, Lärmbelästigung sind die inzwischen gewöhnt.“
Es war jetzt das dritte Mal, dass Nathalie und Danny sich zur Mathenachhilfe trafen. Sie hatten sich darauf geeinigt, jeden Donnerstagnachmittag ein paar Stunden gemeinsam zu lernen und sich durch besonders komplizierte Aufgaben durchzukämpfen.
„Lernen macht durstig. Möchtest du auch e twas trinken?“, fragte die Sechzehnjährige, während sie sich erhob und Anstalten machte, das Zimmer zu verlassen.
„Ein Glas Wasser vielleicht.“
„Oh, sehr bescheiden.“
„So bin ich eben. Bei uns auf dem Dorf gab es ja sonst nichts. Man gewöhnt sich an spartanische Verhältnisse.“
„Du könntest trotzdem einen Tee bekommen. Oder Saft. Hier in der Stadt bekommt man so was überall zu kaufen.“ Nathalie zwinkerte ihm zu.
„Nein, nein. Wir Landeier finden, dass das Teufelszeug ist. Wasser passt, danke dir.“ Er zwinkerte zurück.
Sie schüttelte amüsiert den Kopf, lachte und ging dann nach draußen. Als wäre es das Stichwort gewesen, ertönte aus dem benachbarten Kinderzimmer leises Gewimmer.
Schritte erklangen im Flur, dann ging die Tür zu Mikeys Zimmer. „Danny, kommst du mal?“, rief Nathalie kurz darauf. Sie stand vor dem Kinderbett und raufte sich zerstreut die Haare. „Mikey hat Hunger. Hast du eben ein Auge auf ihn? Ich geh seine Milch warm machen“, bat sie und nahm sich eine Flasche aus dem hölzernen Schrank über seinem Wickeltisch. Dann rauschte sie in Richtung Küche davon.
Danny fühlte sich allein mit dem kleinen, pummeligen Wesen ein wenig hilflos. Nathalies Eltern hatten den Kleinen vor einer Stunde hingelegt und waren gerade erst zum Einkaufen gefahren.
Wahrscheinlich würden sie frühestens in einer Stunde zurück sein. Mikey hätte einen sehr festen Schlaf und würde garantiert zwei, drei Stündchen schlafen, hatten sie versichert. Und nun sah Danny sich mit dem Baby in dessen Zimmer und sehnte sich nach Nathalies älterer Schwester Anna, der er die Aufgabe, das Baby zu bespaßen gerne überlassen hätte. Anna war aber zu allem Übel gerade heute bei einer Freundin, die unter Liebeskummer litt und ein paar tröstende Worte sowie eine Familienpackung Eiscreme nötig hatte.
Nathalies Familie war sehr unkompliziert, und auch wenn er erst ein paar Mal hier zu Besuch gewesen war, und auch das jeweils nur für ein paar Stunden, vertrauten ihm Anna und Nathalie wie selbstverständlich alltägliche Dinge an, so, als sei er ein Familienmitglied. Wenn Danny an seine kleine Schwester dachte, war er sicher, dass sie unter keinen Umständen so aufgeschlossen mit einem Gast von ihm umgegangen wäre. Sein Vater vielleicht schon eher, aber der war selten zuhause.
Nathalies Eltern, Conny und René, konnte Danny gut leiden. Was die beiden für Arbeitszeiten hatten, war ihm nicht klar, Fakt war, dass beide bereits ab dem frühen Nachmittag wieder daheim waren. Nun, Conny war vielleicht noch im Erziehungsurlaub oder wie immer das hieß und der Vater … Danny beschloss, Nathalie bei Gelegenheit einmal danach zu fragen.
Das Baby quengelte. Danny war noch nie z uvor mit einem so kleinen Kind allein gewesen. Der Einjährige blickte ihn mit roten Backen und munteren Augen aus seinem Bettchen heraus an, dann begann er mit seinen kleinen Ärmchen zu fuchteln. Unglücklich verzog sich das Gesicht.
„Na, dann. Du hast sicher schon Hunger, was?“, sagte Danny in Ermangelung einer besseren Bemerkung und beäugte das sichtlich ungeduldiger werdende Baby. „Ganz ruhig, es gibt ja gleich“, sagte er und strich dem Jungen über die erstaunlich weiche Wange. Mikey gab ein langgezogenes Geräusch von sich, das sehr an ein Seufzen erinnerte, dann griff er nach Dannys Finger und betrachtete ihn unwillig. Gerade wollte er sich den Finger in den Mund stecken, als Nathalie mit der Milchflasche bewaffnet zurückkehrte. Danny
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