Grounded (German Edition)
ich nach wie vor Schwierigkeiten mitzuhalten. Ich war in einem Ort groß geworden, an dem die einzigen Veränderungen die waren, die die Jahreszeiten und die Hände der Menschen, mit denen wir gemeinsam die Gegend bewohnten, hervorbrachten.
Der Gedanke daran erfüllte mich auch jetzt noch mit einem nostalgisch gefärbten Gefühl von Heimat .
Als ich mich nun in dieser Einkaufsstraße wi ederfand, die an sich eher noch zu den kleineren dieses Viertels zählte, brauchte ich einen Moment um mich zu vergewissern, dass ich mich nicht verirrt hatte. Zum Glück gab mir das Schild einer Bankfiliale, an die ich mich mit Sicherheit erinnern konnte, die Bestätigung, dass mein Gedächtnis mich nicht im Stich gelassen hatte und ich hier richtig war. Davon abgesehen war mindestens die Hälfte der Geschäfte ausgetauscht oder doch deutlich anders dekoriert.
Ich bemühte mich, darüber nicht zu intensiv nachzudenken. Das Stadtleben war einfach so, alles veränderte sich in einem fort und in einer Geschwindigkeit, die mir als Außenstehendem aberwitzig und skurril vorkam. Vielleicht würde ich mich irgendwann doch noch an dieses Durcheinander gewöhnen, aber alles in allem war ich mir doch, und heute ganz besonders, sicher, dass ich hier nicht hingehörte.
Mein Herz klopfte merklich schneller, als ich mich meinem Ziel näherte. Auf das, was ich vorfand, war ich in keinster Weise vorbereitet. Es war, als wäre ich in Höchstgeschwindigkeit gegen eine kalte, harte Wand aus Eis gerannt.
Eine große, blickdichte Plane verhängte den gesamten Laden, in dem Nathalie meines Wissens nach arbeitete.
Die Aufschrift verkündete in großen, leuc htenden Lettern, dass die Filiale demnächst wieder für uns geöffnet sein würde. Mir wurde einen Moment lang schwindlig. Was hatte das nun wieder zu bedeuten?
Dann verfluchte ich, während meine Füße mich selbstständig zum nächstgelegenen Geschäft weitertrugen, mein gesamtes Leben.
Was sollte das bitte, warum war der Laden auf einmal geschlossen? Sollte das eine Art kosmische Strafe sein? Oder ein Scherz? Falls ja, konnte ich nicht darüber lachen. Und, mal im Ernst, hatte ich nicht schon genug Schwierigkeiten am Hals? Sollte man nicht meinen, ich hätte ein bisschen Nachsicht verdient? Verdammt nochmal, meine Eltern waren alle beide tot, das reichte doch, konnte nicht wenigstens in den anderen Lebensbereichen nur ein einziges Mal irgendetwas glatt laufen? Ja, sicher, natürlich, ich war kein Engel, und hatte mich zumindest meiner Freundin gegenüber furchtbar verhalten, aber ganz ehrlich, ich war auch nur ein Mensch. Reichte es nicht langsam, musste ich denn immer noch eine und noch eine reingewürgt kriegen? So viel Pech konnte eine einzige Person doch gar nicht haben! Das war ja lächerlich. Jeder Film würde an dieser Stelle für sein unrealistisches Drehbuch ausgebuht werden, in meinem Leben war jedoch niemand so nett, das ganze Theater noch einmal umzuschreiben.
Mein ausgiebiges Bad im Selbstmitleid wurde unterbrochen, als ich mich an der Kasse des benachbarten Schuhladens wiederfand.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte die Dame hi nter dem Schalter. Ich schätzte sie auf Ende dreißig. Ihr Haar war zu einem adretten, geflochtenen Zopf nach hinten gebunden. Sie hatte ein paar Pfund zu viel auf den Rippen und ein kleines Doppelkinn, aber alles in allem machte sie einen gepflegten und sympathischen Eindruck.
„Äh … der Laden, nebenan“, brachte ich noch etwas zerstreut hervor.
„Ja?“
Ich riss mich zusammen. „Nebenan ist doch diese Fast-Food-Filiale. Vor den Fenster ist eine Plane und da steht was von ‚demnächst wieder geöffnet‘. Wissen Sie, was das alles zu bedeuten hat?“
„Ach so. Haben Sie das denn nicht mitbeko mmen? Das stand doch letztens sogar in der Zeitung. Vor knapp zwei Wochen hatten die Leute einen Unfall in der Küche und innerhalb kürzester Zeit ist der gesamte Laden abgebrannt. Die Feuerwehr hatte wirklich ihre liebe Not, den Brand wieder zu löschen. Der Besitzer war am Boden zerstört. Verständlich, wenn von jetzt auf gleich die eigene Existenz in Flammen aufgeht. Na, jetzt verhandelt er noch mit der Versicherung, aber es sieht so aus, als könne die Filiale in ein, zwei Monaten wieder aufmachen.“
Mir wurde schlagartig kalt und schlecht z ugleich.
Entsprechend musste ich wohl auch aussehen, denn meine Gesprächspartnerin reagierte mit einem besorgten Stirnrunzeln. „Ist … ist dabei jemand verletzt worden?“, krächzte ich, das
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