Gruber Geht
wehren, gegen tradierte Rollenbilder und gegen den gerade erst sich entwickelnden elterlichen Erziehungsstil und gegen noch intakte elterliche Vorstellungen und vor allem gegen die Illusionen ihrer Erzeuger, sie könnten ihre Brut nach ihrem eigenen Willen und Wunsch formen. Und nach ihrem Selbstbilde modellieren, nach einem optimierten selbstverständlich, auf dass sie ein verbessertes Ich aus ... Gruber fällt ein Song dieser geilen New Yorkerin mit dem Klavier und den langen glatten Haaren und den Blaslippen ein, in diesem Song ging’s auch um sowas, wie heißt die noch gleich, irgendwas mit Obst, Apfel, genau, Apple! Fi-fi ... Fiona. Fiona Apple. Und der Song, irgendwas, mit einer anderen Version von einem selbst, ach ja, «Better Version of me», sehr guter, eingängiger Song, soweit Gruber sich erinnern kann.
Better Version of me
. Geht wahrscheinlich um etwas anderes, hat wahrscheinlich genau überhaupt nichts mit Eltern-Kind-Beziehungen zu tun, aber. Und dann hat die das Video mit diesem Nerd aus diesem Polterabend-Film, wie heißt jetzt der noch mal, der Film, wo die vier Typen nach Las Vegas fahren und den Bräutigam verlieren und der Nerd immer mit einem fremden Baby vor den Bauch geschnallt herumläuft? Gruber fällt es nicht ein, dabei hat er den Film zweimal gesehen, einmal im Kino und einmal im Fernsehen, und sich zweimal weggelacht, und der eine von denen vögelt jetzt doch die Zellwegerin, wie heißt der Film, ach, wurscht. Das Video hatte jemand auf Facebook gestellt, es hatte ihm gefallen. Er hat jetzt alle Beete einmal umrundet, wobei er den Fehler mit den übergrasten Stümpfen dann selbstverständlich nicht mehr gemacht hat, da ist er gleich von der richtigen, also der rechten Seite angefahren. Denn er, Gruber, lernt ja aus Fehlern, was man – Hangover! So hieß der Film, «Hangover», genau – von Kathi oder dem Spießer ganz offensichtlich nicht behaupten kann. Die Kathi hat doch sicher nicht alle drei Beete gleichzeitig gegraben, sondern eins nach dem andern, so nach Bedarf, noch ein Kind, noch ein Beet, so irgendwie. Die zwei haben doch sicher den ganzen Babybrei eigenhändig aus selbstgezogenem Grünzeug gepampt. Und spätestens beim zweiten Beet müsste doch wenigstens einer gemerkt haben, dass das einen extrem negativen Effekt auf die Mäheffizienz hat, wenn man Beete so saudumm anlegt, und ein normaler Mensch würde dann doch automatisch denken: Also, das war jetzt nicht so gut, das mache ich beim nächsten Mal besser. Da überlege ich mir aber was, beim nächsten Mal. Tun die nicht. Die graben beim nächsten Mal wieder einfach irgendwo um und mähen dann halt noch komplizierter und hintenherummer. Ich meine, denkt Gruber, während er einigermaßen befriedigt auf die eine nun doch endlich fertig rasierte Rasenhälfte blickt, ich meine, das ist doch komplett geistesgestört. Total krank und völlig unlogisch. Es ist im Übrigen die schwierigere Hälfte, die Gruber zuerst gemäht hat, die Hälfte mit den drei Beeten, einem Baum, acht Ribisel- und vier Brombeerbüschen, und mit zwei dieser Gestrüppinseln. Das hat Gruber, und er ist ein wenig stolz auf seine eklatante Selbstmitleidslosigkeit und sein vorausschauendes Zupacken, zuerst erledigt, gut gemacht, John, schön gemacht, ganz super, vor allem unter diesen Bedingungen und im Rahmen dieser definitiv mindergünstigen Vorgaben. Und der Rest jetzt, dieser Rest mit einem Baum (was ist das? Eine Birne? Eine Zwetschke? Eher eine Birne, doch, das ist sicher eine Birne) und einem Brombeerbusch (warum stehen die eigentlich nicht beieinander, die Brombeeren? Wieder so eine typische Kathi-Unsinnigkeit, drei da drüben, eine hier, total dämlich), dieser Rest erledigt sich praktisch von selbst. Der Rest ist geradezu eine Belohnung. Auch insofern, weil es Gruber, nachdem er Baum und Brombeerstrauch trotz tückisch in seine Bahn hängender Äste sorgfältig umrundet hat, nun endlich möglich ist, sein Rechteck abzufahren. Von innen nach außen, schnurgerade, scharfkantig, ordentlich, abweichungsfrei: makellose Grubersche Perfektion.
Du, Johnny, sagt Kathi, als Gruber in der Früh mit einer Tasse Kaffee und einer Hand voller Vitamine auf der Bank vor dem Haus sitzt und in die Luft schaut. Der Morgen ist warm, und eigentlich ist der Morgen schon ein Vormittag. Es muss nach zehn sein, und Donnerstag. Nein, schon Freitag, tatsächlich Freitag. Gruber ist jetzt schon vier Tage da, und er kann hier schlafen wie ein Stein, die Landluft
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