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Gruber Geht

Gruber Geht

Titel: Gruber Geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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schließlich an die Hängematte getreten und hatte ihn aus dem unerquicklichen Gedanken gerissen, dass seine physische und virtuelle Abwesenheit praktisch niemanden in irgendeiner Form zu bewegen oder zu stören, niemandem auch nur aufzufallen schien. War offenbar jedem komplett scheißegal, ob er da war oder nicht. Das würde ja ein schönes Begräbnis werden, falls. Wer würde überhaupt kommen, auf wessen Anwesenheit würde er sich verlassen können? In seinem Kopf ohrwurmte schon seit Stunden LC D Soundsystems «All my friends», schon seit Stunden kreiste der Refrain in ihm, where are your friends tonight? Es hörte nicht mehr auf, er bekam das nicht mehr raus aus seinem Schädel. Where are your friends tonight, where are your friends tonight, where are your friends tunahaheit. Ja, wo waren sie? Und wo würden sie sein? Dann? Würde es ein Totenmahl geben? Und wenn ja, wo? Bei Fabio? Und wo würde er sein? Würde er irgendwie dabei sein oder ganz woanders oder einfach nirgends? Kathi hatte sorgenvoll in Grubers darob gefurchtes Antlitz geblickt und ihn gefragt, ob er nicht einmal einen Spaziergang machen (nein), eine Runde mit dem Rad fahren (nein), mit den Kindern Fußball spielen (später) oder eventuell den Rasen mähen wolle, also, er müsse natürlich nicht, aber vielleicht täte es ihm ja gut, ein bisschen was zu tun, ob ihm denn nicht langsam fad sei, ihm müsse doch langsam total fad sein. Ja, okay, hatte Gruber matt und ohne Begeisterung erwidert, Rasenmähen, das kann ich machen.
    Aber tatsächlich, das Rasenmähen scheint ihm gut zu tun. Denn, erstaunlich, das Rasenmähen liegt, behagt und gefällt ihm, jedenfalls jetzt in den ersten fünf Minuten, diese nicht zu kraftraubende, aber doch Einsatz erfordernde Gleichförmigkeit, die den Erfolg seiner Anstrengung immer sofort sichtbar macht. Sehr befriedigend, überaus befriedigend. Sofortige Ordentlichkeit, wo eben noch schlampiger Wildwuchs herrschte. Das mähst du schön, Gruber, denkt Gruber, sehr schön mähst du das, schnurgerade Linien, exakte Ecken. Also, er würde sehr, sehr schön mähen, aber die Schönheit seiner Mähkunst wird ihm alle paar Meter zunichte gemacht von Kathis chaotischer Gärtnerei und ihrer Unfähigkeit, irgendetwas mit System zu tun. Ihre Ausbildung, ihre Familie, ihr Leben, ihr Garten, alles war ein komplettes, systematikfreies Durcheinander. Überall, auch beim Rasenmähen, stellt, legt, setzt sich Gruber und seiner angeborenen Perfektion etwas in den Weg, das ihn zwingt, die natürliche Ordnung aufzugeben, den perfekten Rahmen abzuändern, in welchem er den Rasenmäher von den Außenkanten nach innen mäandert. Gerne mäandern würde. Aber hier ein Baum, dort fünf Ribiselbüsche, da ein Maulwurfshügel (gut, für den kann Kathi nichts, obwohl, dagegen gibt es doch sicher ein Gift) und dazwischen irgendwelche grünen Buschigkeiten, die, wie Gruber begreift, als er den Rasenmäher brutal in eine dieser hoch aufgeschossenen Unkrautinseln hineinstößt und der Motor mit einem Wahnsinnsschnalzer verreckt, die Stümpfe gefällter Bäume überwachsen und verbergen. Scheiße jetzt. Gruber wirft einen schuldbewussten und verunsicherten Blick zur Veranda, auf der Kathi vorhin Wäsche zusammengefaltet hatte, aber sie gießt mittlerweile die Tomaten in ihren Säcken mit einer großen Blechkanne, hat sich nach dem Knall umgedreht und lacht ihm entgegen. Schon gut! Das passiert öfter! Kein Problem! Hält der aus, einfach wieder anwerfen! Gruber zerrt den Rasenmäher aus dem Gebüsch, reißt an dem Starterkabel, und tatsächlich, der Motor springt sofort wieder an. Gruber grinst zu Kathi hinüber, tippt sich mit dem Finger an die Stirn und mäht weiter. Gerade Bahnen, wie mit dem Lineal gezogen, bitteschön, sieht jemand, wie vollkommen das ist? Fällt das jemandem auf? Natürlich nicht. Wer Beete so ohne Plan anlegt wie Kathi ihre drei Gemüsebeete, hat auch keinen Sinn für rasenmäherische Genauigkeit, dem fällt die Schönheit dieser Ordnung nicht auf, der bemerkt derlei nicht. Max war auch so ein Chaot gewesen. Ein sauberer Chaot, immerhin, sonst hätte Gruber ihn keine Woche ausgehalten. Max hinterließ, wie Grubers Mutter es immer genannt hatte, eine trockene Unordnung (im Unterschied zu einer nassen, klebenden Sauerei), Max’ Chaos schmutzte, pappte und roch nicht, es stapelte und schlängelte sich. In Max’ Zimmer waren über die Jahre Türme gewachsen, Türme aus Zetteln, Zeitungen, Skripten, Plastiktüten, Magazinen,

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