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Gruber Geht

Gruber Geht

Titel: Gruber Geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Knecht
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zu, wie stellst du dir das bitte vor?, und lässt sich dann langsam nach hinten in seinen Sessel zurückkippen. Gut so. Sehr gut.
    Sarah blickt ihn mit einem Anflug von Irritation an, und Gruber ist sich nicht sicher, ob das an seiner Frage liegt oder ob sie die Inszenierung durchschaut hat und sich jetzt wundert, wie einer, dem man gerade verklickern will, dass an seiner Vaterwerdung kein Weg mehr vorbeiführt, sich um seine geschissene Sessellehne kümmern kann und den positiven Einfluss dieser Lehne auf seine aktuelle Performance. Nein. Hat sie nicht gemerkt. Gruber lässt sich wieder nach vorne kippen, nimmt einen Schluck von seinem Bier und zwickt sich ein Thunfisch-Sushi zwischen seine Stäbchen, wobei er Sarah immer anschaut, es soll ja nicht so wirken, als sei ihm die Nahrungsaufnahme akut wichtiger als das Gespräch. Sarah hat sich Hühner-Teriaki bestellt und grünen Tee: Schwangere dürfen kein Sushi essen, weil sich im rohen Fisch böse Keime verstecken können. Hat Gruber bislang auch nicht gewusst. Wollte er eigentlich auch nicht wissen, gehörte nicht zu den Dingen, die Gruber in seinem Wissenskatalog verzeichnet haben musste. Und Gruber fürchtet, dass der Katalog bald noch dicker wird und er bald noch mehr wissen wird, was er bis anhin weder gewusst hat noch je wissen wollte.
    Für Krebspatienten sind die bösen Keime harmlos, soweit Gruber weiß, er stopft sich das Sushi in den Mund. An dem Haus vis-à-vis hängt eine riesige KIN O -Leuchtschrift. Gruber ist hungrig. Obwohl es vielleicht unpassend ist, in diesem Moment zu kauen. Ist es unpassend, zu kauen, während Sarah sagt:
    «Ich denke es mir so, dass ich das Kind kriege und großziehe. Was ich mir noch nicht denken kann ist, wie weit du dich an diesem Vorgang beteiligen kannst. Oder willst. Ob du der Vater bist oder nur der Samenspender.»
    Was war da jetzt? Hat er richtig gehört? Ja, hallo. Jetzt aber. Allerdings wirkt es ein bisschen einstudiert und aufgesagt, was sie da von sich gibt. Jetzt bemerkt Gruber, wie blass sie ist und dass ihre Hand mit den Stäbchen zittert. Ziemlich tüchtig zittert. Sie hat noch kein einziges Mal gegrinst heute, nur schüchtern gelächelt. Und sie hat noch gar nichts gegessen von ihrem knusprigen Huhn, sie hält nur die Stäbchen in der Hand. Vielleicht hat sie das vorher mit einer Freundin geübt? Machen Frauen sowas nicht? Doch, Gruber ist sich sicher: Sowas machen Frauen. Oder mit ihrer Zwillingsschwester! Sie hat doch eine Zwillingsschwester, hat sie ihm mal erzählt. Zwillinge, totale Symbiose, weiß man doch. Zwillingsschwestern machen sowas hundertprozentig.
    «Hörst du mir zu, John?», sagt Sarah. «Hast du gehört, was ich gesagt habe?»
    «Ja, hab ich.»
    Ja, hat er. Und er weiß es eh. Und er weiß es nicht. Er hat darüber nachgedacht, nein, er hat immer und immer wieder angefangen, darüber nachzudenken, es sich vorzustellen, und er ist nie weiter gekommen, als bis zu dieser Stelle, an der er Sarah klarmacht, dass es undenkbar ist. Er konnte und kann es sich einfach nicht vorstellen, nichts davon. Nicht die schwangere Sarah, nicht die Sarah mit dem Kind, nicht sich selbst mit dem Kind. Nicht Sarah und sich als Eltern eines Kindes. Nicht sich als Vater. Papi John. John Gruber, Vater. Vater Gruber. Grauenhaft. Das war es: Was immer er sich vorstellt, es endet immer grauenhaft. Unmöglich, undenkbar, geht gar nicht. Gruber im Kreissaal oder vor dem Kreissaal: bizarr. Gruber in dieser Elternwelt, Gruber mit einem Kinderwagen, Gruber mit so einem Babysack vorm Bauch, Gruber am Spielplatz, Kindersitz im Porsche ... Geht! Alles! Nicht! Passt nicht zusammen, Gruber und das alles! Und vor allem: Wie soll denn das gehen, wirklich jetzt, ganz konkret? Er in Wien, sie und das Kind in Berlin? Er, falls er das überhaupt noch erlebt, so als Geschenke-Papi, der alle paar Wochen vorbeischaut und mit dem Kind in den Berliner Zoo geht, da schau, Mausi, die Pinguine, da, schau, Zwergl, die Giraffen, magst du ein Eis? Und später, wenn das Kind ein wenig größer ist, hängt man ihm so ein eingeschweißtes Infoblatt um den Hals, übergibt es einer Stewardess und setzt es ins Flugzeug, damit es mit dem halbfremden Wiener Vater in den Tiergarten Schönbrunn gehen kann, da schau, die Elefanten? So wie sein Vater ihn und seine Geschwister an sonntäglichen Vormittagen in den Tiergarten geschleppt hatte, völlig gelangweilt, weil Väter das halt so tun, vor allem Väter, die die ganze Woche damit beschäftigt sind, die

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