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Grün. Le vert de la Provence

Grün. Le vert de la Provence

Titel: Grün. Le vert de la Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Burger
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Raphael dort an der Brücke auf Pauline und Alain
gewartet haben könnte, müssen Sie ja einen konkreten Verdacht haben, warum er
sich für die beiden so interessieren könnte.“
    „Nichts Konkretes. Aber nach Abwägung aller uns bekannten
Fakten, könnte es nur um das Pflanzenwissen von Pauline gehen. Darum ging es
vermutlich die ganze Zeit. Und damit stehen alle Morde im Zusammenhang,
vielleicht sogar der Tod von Monsieur Baumann.“ Anselm ging zu dem Regal und
nahm sich ebenfalls ein Stück Brot. „Du auch?“, fragte er Valerie. Sie nickte.
Er ging mit zwei Scheiben Baguette zu ihr zurück.
    „Sie glauben also, dass Monsieur Baumann nicht seiner
Lust und einer Herzerkrankung erlag, sondern ermordet wurde?“, fragte Vidal
kauend.
    „Beides! Ich glaube … nein, besser gesagt, ich halte es
für nicht unwahrscheinlich, dass Melissa Lindner ihn bewusst überfordert hat.
Ich gehe davon aus, dass sie etwas gesucht hat oder beschaffen sollte. Eine
bestimmte Information oder ein Dokument vielleicht. Danach sollte sie ihn
sexuell so reizen, bis er sich verausgabt. Was ja übrigens zu Ihren Angaben
passt, dass Monsieur Baumann eine sehr hohe Dosis Erektionshilfe im Blut hatte.
Und dann noch ein Präparat, das er selber gar nicht benutzte.“
    „Und wie passen nach dieser Mutmaßung Christoph Seefelder
und sein virtueller Mann fürs Grobe in das Puzzle?“
    „Ich sage ja nicht, dass ich Seefelder verdächtige! Ich
habe eben nur die möglichen Handlungsstränge verfolgt und überlegt, was
plausibel zueinanderpasst. Und sein Unternehmen vermarktet Bioressourcen.
Vielleicht verfügt Pauline über Kenntnisse oder den Zugang zu solchen
Ressourcen und hat diese Kenntnisse an Ed Baumann weitergegeben, was dann
möglicherweise das Interesse von Seefelder oder eben SBT geweckt hat.“ Anselm
wischte sich einen Krümel aus dem Mundwinkel und blies ihn von der Fingerkuppe.
    „Der dann statt eines Raphael eine Melissa auf Baumann
angesetzt hat. Und zur Abwechslung gab es keine Pistolenkugel und keine
Garotte, sondern Sex?“ Vidal zog eine Grimasse, wusste aber selber nicht, was er
damit ausdrücken wollte. Die Ereignisse rasten auf einen imaginären Endpunkt
zu. Die Fakten, die eine Woche lang unzusammenhängend über ein weites Feld von
Möglichkeiten verteilt gewesen waren, ergaben langsam ein Muster. Er musste
sich nur bemühen, eine andere Sichtweise einzunehmen. Eine Jagd auf
Kräuterwissen, die allem Anschein nach denkbar war, konnte man mit dem
abstrakteren Begriff Industriespionage beschreiben. Damit entstand ein
deutlicheres Bild, in dem ein hohes Maß krimineller Energie und die Bereitschaft
zu Mord weniger absurd wirkten.
    Und tatsächlich kreiste das gesamte Geschehen um Pauline
Bouchet. Eine unscheinbare Markthändlerin mit einem halb verfallenen Gehöft,
der an sich keine besondere Bedeutung zuzusprechen war. Die aber durch ihre einmaligen
Kenntnisse in den Fokus wirtschaftlicher Interessen geraten war. Interessen,
wie sie global agierende Unternehmen haben konnten oder Gruppierungen des
organisierten Verbrechens. Und der Zugriff auf diese Kenntnisse konnte über ein
Dokument erfolgen, wie Anselm Bernhard es sich überlegt hatte. Oder aber durch
den Zugriff auf die Person Pauline Bouchet selbst.
    Er stürmte aus der Küche hinaus und im Restaurant direkt
auf den Apotheker zu. „Reicht theoretisches Wissen aus, um eine Bioressource
nutzen zu können?“, fragte er ihn unvermittelt.
    „Vermutlich nicht!“ Der Mann sah ihn unsicher an.
    „Ich sag’s mal konkret. Wenn Pauline Bouchet ihr
Pflanzenwissen offenbaren würde, könnte damit ein Biologe oder ein Pharmazeut
ein Produkt erstellen, wie zum Beispiel dieses Le vert de la Provence ?“
    „Ohne die spezifischen Pflanzen, aus denen sie den
Wirkstoff gewinnt, nicht.“
    „Kennen Sie die?“
    „Niemand außer Pauline kennt sie. Vielleicht noch Alain.
Sie und ihre Mutter und Großmutter haben diese Pflanzen zwar alle ganz konkret
beschrieben, abgezeichnet und als Trockenpflanzen in einem Buch gesammelt. Aber
man muss die Pflanzen eben auch in der Natur finden und erkennen. Und das
vermag nur Pauline.“
    „Was für ein Buch?“
    „Paulines Schatz. Eine Enzyklopädie heimischer Heilpflanzen.
Eine Aufzeichnung des naturheilkundlichen Wissens aus vielen Generationen.“
    „Wo hat sie das immer aufbewahrt?“
    „Eigentlich auf ihrem Hof. Wir vermuten aber, dass es
zuletzt bei Monsieur Baumann war.“ Der Apotheker hatte einen kurzen Blick zu

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