Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grün. Le vert de la Provence

Grün. Le vert de la Provence

Titel: Grün. Le vert de la Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Burger
Vom Netzwerk:
Engler, der mit Pauline eine Diskussion über
den eingeschlagenen Weg begann. Engler klang ungeduldig und drängte Pauline,
einen direkten und möglichst kurzen Weg zu einem Erd-Burzeldorn-Strauch
einzuschlagen und nicht länger Alain zu folgen. Zwanzig Minuten später blieb
Engler dann stehen und brüllte Alain hinterher, er solle sie gefälligst aus der
Sonne in den Wald und umgehend zu einem der Sträucher führen. Er hatte die
Pistole in die Hand genommen und hielt sie auf Alain gerichtet.
    „Lass uns hier direkt hochsteigen“, bemühte sich Pauline
um Entschärfung der Situation. „Wir können oben in einer losen Kette die Gegend
absuchen. Ich erkläre Thomas, woran er die Pflanzen, die wir brauchen, erkennen
kann.“
    Alain nickte stumm und wechselte die Richtung. Pauline
hatte seine Absicht durchschaut und würde nun ihrerseits geeignete Strategien
gegen Engler einsetzen. Niemand war so vertraut mit den Giften der Pflanzenwelt
wie sie. Englers Gier nach schnellem Reichtum durch die Wirkung des
Tribulus-terrestris-Extrakts und die Vermarktung von Le vert de la Provence könnte schnell zu seinem Verhängnis werden. Pauline würde ihn verleiten,
giftige Pflanzen zu suchen und diese anstelle eines Erd-Burzeldorns aus der
Erde zu reißen. Im Garigue des Plateaus wuchsen der Milchstern und die Weiße
Meerzwiebel , die sternförmige Blüten hatten, genau wie der Erd-Burzeldorn,
der deswegen auch ja Erdsternchen genannt wurde. Beides waren hochgiftige
Pflanzen, wobei die Wurzel der Meerzwiebel sogar ein für Menschen tödliches
Gift enthielt. Pauline hatte ihn bei ihren gemeinsamen Streifzügen über das
Plateau in die Geheimnisse der Pflanzenwelt eingeweiht. Für Thomas Engler
bedeuteten diese Pflanzen lediglich möglichen Profit. Dass sie auch seinen Tod
bedeuten könnten, ahnte er wohl nicht. Alain lächelte kurz, sah hinauf zu den
ersten Sträuchern, die den Rand des Plateaus markierten, und stieg gemächlich
weiter.
     
Erkenntnis
    Vidal kam mit einer Flasche Mineralwasser zurück in die
Küche. Die Spülhilfe hatte sich ins Restaurant gesetzt und eine Unterhaltung
mit Sophie begonnen. Anselm sah die beiden, als Vidal die Tür zur Seite schob.
Die Frau rechnete offensichtlich nicht mehr mit einer schnellen
Rückkehrmöglichkeit an ihren Arbeitsplatz.
    „Man braucht die realen Pflanzen, um aus dem Wissen von
Pauline Bouchet einen Nutzen ziehen zu können“, erläuterte Vidal, ohne dass ihn
jemand gefragt hatte. Er holte die Flasche Le vert de la Provence aus
der Tasche und stellte sie auf den Rand der Kochstation in der Mitte des
Raumes. Dort stapelten sich noch Töpfe, Pfannen und Bräter, die von der
Spülhilfe noch nicht gereinigt worden waren. Das Fläschchen wirkte filigran und
zerbrechlich vor diesen Türmen aus Edelstahl. „Das ist vermutlich der Auslöser
für die Morde der vergangenen Woche und der Grund für das Verschwinden von
Alain und Pauline. Ein pflanzliches Potenzmittel. Sehr wirkungsvoll, wie uns
versichert wurde. Es ist Paulines Spezialität. Bei richtiger Vermarktung kann
man damit vermutlich ein Vermögen machen. Ihre Vermutung ging also in die
richtige Richtung. Für ein Bioscience-Unternehmen wären Paulines Kenntnisse und
der Zugriff auf die pflanzlichen Ressourcen Gold wert.“
    Anselm starrte auf das Fläschchen. Da stand tatsächlich
das vor ihnen, was er als wilde Spekulation auf der Klostermauer skizziert
hatte. Der Knüller. Das Potenzmittel aus provenzalischen Heilpflanzen. Ein
Kräuter-Viagra. Seine scherzhafte Prophezeiung, es könnten bald Busladungen
sexbesessener Japaner in die Macchia einfallen, hatte eine apokalyptische
Facette erhalten. Sie konnte jederzeit wahr werden.
    „Und was passiert, wenn man alles zusammen hat, Pauline,
ihr Wissen und die Pflanzen?“ Anselm blickte, während er fragte, auf Valerie.
Sie war seit dem Gespräch an der Klostermauer sehr ruhig geworden, in sich
gekehrt und lethargisch. Ihre sonst glatte bronzefarbene Haut wirkte stumpf und
gealtert, die Körperspannung, von der er so fasziniert gewesen war, schien
einer tiefen Erschöpfung gewichen zu sein. Sie reagierte auf die Frage nur mit
einem kurzen müden Blick auf ihn und blickte dann wieder auf Le vert de la
Provence . Was mochte in ihr vorgehen? Wie würde sie Eds Rolle in diesem
Drama jetzt beurteilen? Ahnte sie, wie weit sein Interesse auf diesen Stoff
fokussiert gewesen war?
    „Das möchte ich mir im Moment nicht ausmalen. Aber wir
sind ja aus dem Grund hier, diesen Zustand nicht

Weitere Kostenlose Bücher