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Grün. Le vert de la Provence

Grün. Le vert de la Provence

Titel: Grün. Le vert de la Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Burger
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haben könnte, nachdem er ihn beobachtet und sein
Fahrzeugkennzeichen notiert hatte. Die Tote lag aber noch an der gleichen
Stelle und in der gleichen Position. Adrien atmete auf. Ein Gendarm war oben
bei den Fahrzeugen geblieben. Der andere stand wie angewurzelt neben ihm und
starrte auf die Leiche. Die Sonne stand leicht unter dem Zenit, es gab kaum
Schatten durch die Baumkronen. Die helle Haut der Toten leuchtete unwirklich in
dem Licht. Er hatte jetzt keine Angst mehr vor einem möglichen Mörder, der ihn
aus dem Hinterhalt beobachtete. Sein Schock vom Vormittag wich der Neugier.
    Die Tote sah nicht wie eine Südfranzösin aus. Zu blond,
zu hellhäutig, zu groß. Hand- und Fußnägel waren in dem gleichen intensiven rot
lackiert. Sie sah auch nicht wie jemand aus, der körperlich hart gearbeitet
hatte. Ihre Brüste ragten wie stolze Galionsfiguren hervor, prall und perfekt
geformt. Arme, Schultern und Nacken waren zerkratzt, offensichtlich hatte man
sie durch den Wald geschleift. Dann fiel Adrien auf, dass die Scham der Frau
rasiert war, lediglich ein kleines, akkurat begrenztes Haarbüschel war oberhalb
ihrer Schamlippen zu erkennen.
    Der Gendarm schien bei der gleichen Beobachtung
angekommen zu sein wie er. „Guter Gott“, stieß er hervor, „wer zerstört ein
solches Geschöpf? Das ist mehr als nur Mord, das ist Barbarei.“
    „Vielleicht Eifersucht“, sagte Adrien, „oder
Enttäuschung, Wut, Raserei? Wie hättest du reagiert, wenn sie deine Freundin
gewesen wäre und dir gesagt hätte, nun ist Schluss! Mich fasst du nicht mehr
an, an mir darf sich jetzt nur noch ein anderer erfreuen?“
    Der Gendarm kratzte sich am Kopf. „Scheiße, das kann doch
nicht gleich ein Grund sein, sie zu erschießen. Ich meine, sie hat ihn ja
offensichtlich bis zum Abdrücken noch angesehen. Kannst du dir vorstellen, in
diese blauen Augen zu schauen und sie dabei abzuknallen?“
     
    Der Kommissar aus Avignon war fast lautlos den Hang
hinabgestiegen und zwischen die beiden getreten. „Ich bin Luc Vidal“, stellte
er sich vor. Der Gendarm grüßte militärisch. „Hat einer von ihnen hier was
angefasst oder verändert?“ Beide verneinten. Adrien fügte hinzu, dass er aber
nicht wüsste, ob die Hunde etwas durcheinander gebracht hätten.
    „Warum haben Sie da oben gehalten?“, fragte der
Kommissar.
    „Der alte Hund musste pissen. Er hat es an der Prostata,
genau wie ich.“
    „Haben Hunde auch eine Prostata?“ Vidal drehte sich zu
dem Alten und sah ihn überrascht an. Adrien schien es, als würde der Mann
unmittelbar in seinen Kopf blicken. Luc Vidal mochte eine freundliche Mine
aufsetzen, Adrien empfand, dass er hinter seinen dunklen Augen undurchschaubar,
kühl, distanziert und berechnend blieb. Der Kommissar klopfte ihm leicht auf
den Arm. „Wir werden uns da oben etwas über Ihren Fund unterhalten.“ Er
lächelte. Kühl und mechanisch. „Sie bleiben bitte hier, bis die Spurensicherung
kommt“, sagte er inszeniert freundlich zu dem Gendarm.
     
Spuren von Staub
    „Und was haben wir?“ Luc Vidal war dem Gerichtsmediziner
zur Toten vom Pass gefolgt. Der Mann bewegte fischartig seine Lippen, zuckte
lakonisch mit den Schultern und zog die Schublade mit der Toten aus dem
Kühlraum. „Ziemlich kleines Kaliber“, sagte er und tippte mit einem
Kunststoffstift neben das Loch in der Stirn. „Wir werden das noch präzisieren,
aber es war nicht viel mehr als eine Minipistole. Mich wundert es, dass das
Projektil am Hinterkopf wieder ausgetreten ist. In jedem Fall war sie sofort
tot und hat dies ganz offensichtlich überhaupt nicht erwartet.“ Er zeigte mit dem
Stift auf die geöffneten Augen. „Sieht irgendwie nicht verängstigt aus, eher
überrascht. Vielleicht war es ja auch ein böser Zufall, ein Versehen oder so.
Der Schuss muss auch aus ziemlicher Nähe abgefeuert worden sein. Vielleicht ein
oder zwei Meter. Aus einer größeren Entfernung wäre es auch kaum möglich
gewesen, so präzise zu zielen. Wir werden das genauer wissen, wenn wir
Schmauchspuren auf der Haut finden.“
    „Keine Indizien für eine Gewalttat?“
    „Keine Kampfspuren, keine Vergewaltigungsspuren!“
    „Von wo wurde der Schuss abgefeuert?“
    „Von unten. Ganz leicht aufsteigender Winkel zum
Austrittsloch. Der Täter – oder die Täterin – kann etwas kleiner als unsere
große Blonde hier gewesen sein, oder aber gesessen haben.“ Er bog mit dem Stift
den Kopf leicht zu Seite, „sie wurde dann, wie es aussieht, über sehr raues
Gelände

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