Grün. Le vert de la Provence
über den Besuch bei Mathieu und die
bibliophilen Schätze ihres Mannes erzählte. Sie sah aber nach wie vor
mitgenommen aus. „Eine leichte Migräne“, hatte sie ihren Zustand erklärt, „und
dazu noch die erbarmungslose Hitze und der Gestank in Avignon.“
„Wo könnte das Buch sein? Vielleicht sind es ja auch noch
mehr Bücher, die hier fehlen. Bei dem Wert, den mir der Antiquar genannt hat,
fehlt hier vielleicht ein Vermögen. Hat Ed jemals Bücher verliehen oder wieder
mit nach Deutschland genommen?“
„Verliehen, hier? Nein, ganz sicher nicht. Deutschland
könnte sein. Wenn er an etwas gearbeitet hat, wofür er die Bücher brauchte, hat
er sie möglicherweise in den Verlag gebracht. Ich habe davon aber nichts
mitbekommen.“ Sie hatte sich in einen Sessel fallen lassen und die Beine über
eine Lehne gelegt. Ihre nackten Füße ragten in die Luft, ihr Kopf lag
zurückgebeugt auf der anderen Lehne und ihre Augen waren geschlossen.
„Kannst du im Verlag nachfragen?“
„Morgen. Es gibt sowieso Klärungsbedarf. Man wird unruhig
in Deutschland, die Presse hakt nach. Ich hab sogar hier schon einen
Pressemenschen gesehen, der Fotos von mir und dem Anwesen machte. Zum Kotzen!“
„Grauer Kleinwagen?“
Valerie öffnet die Augen und beugte sich leicht vor.
„Hast du ihn auch schon beobachtet?“
„Ich hab ihn in Prades gesehen und mir gedacht, dass das
ein Journalist ist. War so’n Gefühl in mir“, log er, um sie nicht unnötig mit
seiner Verfolgungsgeschichte zu beunruhigen.
„Warst du nur in Prades und bei Alain?“
Anselm schüttelte den Kopf, ohne zu antworten, und trat
noch einmal an eines der Regale, zog ein Buch heraus und blätterte kurz darin,
bevor er es wieder zurückstellte. Dann drehte er sich wieder zu Valerie. „Ich
war noch in Pont-de-Ouvèze, in einem Maison des Plantes Aromatiques et
Médicinales , einer kleinen Ausstellung über Heil- und Aromapflanzen. Sehr
schön gemacht. Ich hatte insgeheim gehofft, dort eine Spur von Pauline zu
finden, aber Madame versteht es gut, unerkannt zu bleiben. Und du, warst du
wieder den ganzen Tag in Avignon?“
Valerie zog die Augenbrauen hoch und blies lautstark
durch die fast geschlossenen Lippen. „Was glaubst du? Ich muss Unmengen
erledigen.“
„Hast du schon gehört, wann Ed für die Überführung
freigegeben wird?“
„Vermutlich am Wochenende. Vorhin hat ein Kollege von
Vidal angerufen und gesagt, dass die Ermittlungen eingestellt sind. Jetzt muss
das noch seinen behördlichen Gang gehen und dann wird ein Flieger gesucht, in
dem noch Frachtraum für einen Sarg frei ist.“
„Fliegst du dann auch gleich mit?“
„Wenn ich einen Platz in der Maschine bekomme, ja. Sonst
nehme ich den nächstmöglichen Flug. In Köln ist soweit schon alles für die
Beerdigung vorbereitet.“ Sie richtet sich ganz in dem Sessel auf und sah ihn
mit müden Augen an. „Könntest du noch hier bleiben und die Sache
weiterverfolgen? Das wäre mir unheimlich wichtig. Vielleicht denkst du ja, dass
ich spinne. Aber ich muss immerzu an diese Frau denken. Sie beunruhigt mich
sehr. Ich kann nachts schon kaum mehr schlafen.“
„Bis Anfang der Woche bleibe ich noch und sehe zu, was
ich herausfinden kann. Wirst du nach der Beerdigung in Köln bleiben? Ich meine,
was passiert hier mit dem Haus?“
„Um das Haus kümmern sich Sophie und Alain. Du musst nur
einem von beiden eine Nachricht zukommen lassen, wenn du abfahren willst. Aber
ich denke, dass ich auch zunächst wieder zurückkomme. Ich muss erst einmal zur
Ruhe kommen und meine Gedanken ordnen. Mein Leben wird nun in eine ganz neue
Richtung gehen.“
„Übernimmst du den Verlag?“
„Nein, das ist geregelt. Ich bin in der
Gesellschafterversammlung und Anteilseignerin. Vorausgesetzt, dass Ed da nicht
hinter meinem Rücken andere Entscheidungen getroffen hat. Es gibt ja noch seine
Tochter Nora, die in letzter Zeit ziemlich großes Interesse am Verlag gezeigt
hat.“
„Die hab ich noch nicht kennengelernt.“
„Vielleicht schon mal gesehen. Sie ist der gleiche Typ
wie Eds Beuteschema. Jung, groß, blond …“
„Dickbrüstig?“
„Nein, gut gebaut würde ich sagen. Aber nachjustiert. Hat
Papa ein Vermögen gekostet.“
„Ihr seid keine Freundinnen, oder täusche ich mich da?“
„Sie hasst mich. Vielleicht ist das sogar verständlich.
Als ihr Vater sich in mich verliebt hat, war sie noch ein Kind. Kinder wollen
ihre Väter behalten und nicht an fremde Frauen abtreten. So ist das
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