Grün. Le vert de la Provence
war inzwischen zweifelsfrei
ermittelt. Sie starb am Mittwoch gegen elf Uhr. „Sie wurde auf einem Kiesweg
erschossen“, sagte Vidal, „wir haben Staubspuren an ihren Knien gefunden, die
sich beim Fallen in die Haut gedrückt haben. Die chemische Zusammensetzung des
Mineralstaubs wird uns eine verlässliche Zuordnung infrage kommender Kieswege
ermöglichen. Ich glaube, es sind die Feldspate, die bei einer Analyse eine
große Differenzierung ermöglichen.“ Er sah Anselm kurz prüfend an, „bei Madame
Baumann haben wir heute schon einmal eine Kiesprobe mitgenommen.“
Anselms Alibi war damit gesichert. Er hatte bis halb elf
mit Sophie in der Küche gefrühstückt, was diese bestätigt hatte. Er war auch
von der Kellnerin wiedererkannt worden, die ihn mittags in Montigny bedient
hatte. Das Foto hatte er dem Kommissar selbst zur Verfügung gestellt.
„Als Täter kommen Sie in diesem Fall wohl nicht infrage.“
Vidal hatte sich zurückgebeugt und zeigte ein schmales Lächeln, das sofort
wieder erfror. Unvermittelt wechselte er dann zu dem Mord vom Samstag. „Wir
haben einen Mann mit dem Namen Jean-Noël Baudouin gefunden. Er starb am
Samstag, kurz nachdem Sie mit ihm auf dem Markt von Montigny Kontakt hatten und
ihm dabei Ihre Mobiltelefonnummer gegeben haben, wie wir vermuten. Ach ja, er
hatte eine Drahtschlinge um den Hals. Oder sollte ich eher sagen, er hatte sie
in seinem Hals? Was meinst du, Nicolas?“ Er blickte Gauthier an, der bisher
geschwiegen hatte.
Gauthier nickte und sah Anselm dabei gleichmütig an. „In
seinem Hals! In jedem Fall. Da hat einer sehr brutal gemordet, das muss Kraft
gekostet haben.“
Anselm spürte, wie sich sein Magen zusammenzog und das
Blut heftig hinter den Schläfen pochte. Noch bevor er zu einer Reaktion fähig
war, versetzte Vidal ihm den endgültigen Tiefschlag: „Er starb auf dem Hof von
Pauline Bouchet, ebenfalls einer Markthändlerin, die Kräuter und Heilpflanzen
verkauft.“
Sein Ziel der Suche war erreicht. In der Folge eines
Mordes. Eine Suche, die ihn abrupt in den Vorhof der Hölle geführt hatte. Wie
immer Valerie in dieses Geschehen involviert war, sie hatte ihn zu einem
Tatverdächtigen in zwei Mordfällen werden lassen und in ein tödliches Netz
verstrickt, das sich immer enger um ihn zusammenzog.
Was hatte Ed hier in der Provence nur vorgehabt? Worin
hatte er sich verstrickt? Was steckte hinter alle dem? Und, welche Rolle war
ihm selbst dabei zugedacht worden? Welches Mittel zu welchem Zweck stellte er
dar?
Vidal und Gauthier beobachteten schweigend die Wirkung
ihrer Worte. Sie gaben ihm aber nicht die Zeit, seine Fassung zurückgewinnen zu
können. „Sie sollten uns genau erzählen, was Sie hier treiben und was Sie
inzwischen wissen. Selbst wenn Sie als Täter ausscheiden, bleiben Sie
verdächtig und Sie würden nachhaltig unsere Ermittlungen behindern, wenn Sie
jetzt nicht reden. Ganz abgesehen davon, wird der Mörder sie mittlerweile auch
identifiziert haben. Sie könnten das nächste Opfer sein.“
Es gab keine Alternative. Anselm gab den Polizisten eine
kurze Faktenübersicht der vergangenen Tage, ließ dabei aber Privates und eigene
Mutmaßungen aus. Er beschränkte sich auf Orte und relevante Erkenntnisse und
überließ es Vidal und Gauthier nach weiteren Details zu fragen. So erfuhren die
Polizisten, dass er von Anfang an nach Pauline Bouchet gesucht hatte. „Aus sehr
privaten Gründen“, fügte er seiner Aussage hinzu, „Madame Baumann hatte durch
einen Zufall von der Beziehung ihres Mannes zu dieser Frau erfahren, und konnte
dies absolut nicht einordnen. Wie Sie ja mittlerweile auch wissen, bevorzugte
Monsieur Baumann deutlich jüngere Eroberungen. Bevor seine Frau ihn nach der
Marktfrau Pauline fragen konnte, starb er. Sie bat mich dann, nach Pauline zu
suchen, einer Frau, von der sie lediglich ein schlechtes Foto besaß.“
„Was könnte die Beziehung ausgemacht haben, wenn nicht
Sex, wie bei dem toten Mädchen?“, fragte Gauthier.
Anselm hob leicht die Schultern und sah Gauthier ratlos
an. „Ed Baumann interessierte sich offensichtlich sehr für Naturheilkunde,
heimische Heilpflanzen, Kräuterwissen und so weiter. Pauline Bouchet scheint
auf diesem Gebiet eine Koryphäe zu sein. Vielleicht war das die Grundlage ihrer
Beziehung.“
„Irgendetwas hat irgendwen bei Pauline aber so
interessiert, dass er dafür gemordet hat. Eiskalt, kurzentschlossen und brutal.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Jemand Kräuter und
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