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Grün. Le vert de la Provence

Grün. Le vert de la Provence

Titel: Grün. Le vert de la Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Burger
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wohl angekommen?
    Die angespannte Stimmung in dem Polizeiwagen war etwas
gelassener geworden, nachdem die Rezeption des Hotels seine Angaben bestätigt hatte.
Mordverdacht. Sie hatten tatsächlich gesagt, wir verhaften Sie wegen
Mordverdachts. Welcher Mord? An wem? An dem Mädchen? Was konnte Vidal in
Erfahrung gebracht haben? Wie konnte er zum Hauptverdächtigen werden? Keiner
der Polizisten hatte auf seine Fragen geantwortet.
    Sie hatten ihn gefragt, was er in den letzten
vierundzwanzig Stunden gemacht habe und wo er gewesen sei. Scheinbar ging es um
Geschehnisse, die sich Samstagnachmittag zugetragen hatten. Die Bestätigung,
dass er gegen zwei im Hotel angekommen war, reichte für einen merklich
freundlicheren Ton und eine größere Gelöstheit. Sein persönlicher Weltuntergang
würde also vielleicht doch nicht an der Mautstelle einer französischen Autobahn
stattfinden, oder im Verlies der Polizeistation von Aix.
    „Wir fahren mit Ihnen jetzt nach Avignon“, sagte einer
der Polizisten. Er war der Wortführer. „Zwei meiner Kollegen werden Sie in
Ihrem Fahrzeug begleiten, ein Wagen fährt Ihnen hinterher. Machen Sie keine
Dummheiten!“
    Anselm musste langsam fahren, der begleitende
Polizeiwagen hatte erhebliche Schwierigkeiten, sich durch die Flut zu kämpfen,
die den Asphalt überzog. Der Rover hatte weniger Probleme. Außer ihnen bewegten
sich auf der Autobahn nur einige weitere Geländefahrzeuge und Lastwagen, die
mit ihrem Gewicht die Wassermassen weitaus besser verdrängen konnten als
normale Personenwagen. Der Rest des sonntäglichen Reiseverkehrs war zum
Stillstand gekommen. Sie fuhren an zahlreichen leichteren Unfällen vorbei.
Blechschäden, Caravan-Gespanne, die von der Fahrbahn abgekommen waren,
Motorräder, die am Boden lagen. Es schien keine ernsthaft Verletzten gegeben zu
haben.
    In Avignon übergaben die Polizisten aus Aix ihn ihren
dortigen Kollegen. Vidal sah er nicht. Man setzte ihn so, dass er ständig unter
Beobachtung blieb und bot ihm Kaffee an, der scheußlich schmeckte. Es herrschte
eine unglaubliche Hektik um ihn herum. Was immer am Samstag passiert sein
mochte, es hatte das commissariat central in Aufruhr und dessen
Mitarbeiter um die Sonntagsruhe gebracht.
     
    Der Regen hatte nachgelassen, es war wieder heller
geworden. Irgendwann tauchte Vidal mit seinem Partner auf. „Wir werden uns
gleich unterhalten, Monsieur Bernhard“, sagte er im Vorbeigehen. Danach folgte
Warten, Warten, Warten. Anselm zog eine dünne Broschüre aus der Tasche, die er
in Aix in einer Buchhandlung entdeckt hatte. Das kleine Werk beschrieb ein
ethnobotanisches Museum, das in einem ehemaligen Kloster die traditionelle
Pflanzenwelt und Lebensweise der Haute-Provence zeigte. Um das Kloster herum
waren thematisch gegliederte Gärten angelegt worden, in denen heimische Zier-,
Wild- und Nutzpflanzen vor dem Aussterben bewahrt wurden.
    Schau an, dachte er, das passt. Wenn irgendwo ein
Ansatzpunkt besteht, um Pauline zu finden, dann dort. Es war eine kleine Karte
in der Broschüre abgebildet, er konnte aber mit den Ortsangaben wenig anfangen.
Die römische Via Domitia führte dicht am Kloster vorbei, ein interessanter,
wenn auch wenig hilfreicher Aspekt; seitlich mäandrierte die Durance durch die
Zeichnung. Das Kloster selbst war ein sehr romantisches Objekt, auf einem
sanften Hügel gelegen.
     
    Vidal unterbrach seine Gedanken und holte ihn zurück in
die Realität.
    „Wollen Sie einen Dolmetscher?“, fragte er Anselm.
    „Wird nicht nötig sein.“
    „Woher beherrschen Sie unsere Sprache so gut?“
    „Ich habe eine Zeitlang hier unten an der Küste als Koch
gearbeitet.“
    „Und dabei wurde so viel gesprochen, dass Ihr Französisch
nahezu perfekt geworden ist?“
    „Ich habe Kurse belegt und eine Französin geheiratet.“
    Vidal sah ihn überrascht an. „Sie hätten hier bleiben
sollen. Bei uns ist das Wetter besser als bei Ihnen.“ Er zeigte mit dem Arm zum
Fenster.
    War das Ironie? Gab es da eine menschliche Seite an dem
Kommissar?
    „Und, ist Madame Bernhard jetzt in Deutschland
geblieben?“
    „Nein. In Frankreich. Schon vor einigen Jahren – des
Wetters wegen.“
    Nach diesem Geplänkel war der freundliche Teil der
Unterhaltung beendet. Vidals Gesicht versteinerte sich und er fragte noch
einmal minutiös die Ereignisse des vergangenen Donnerstags ab, verglich Anselms
Aussagen in dem ersten Verhör mit seinen jetzigen Angaben und mit Notizen auf
einer Kladde. Der Todeszeitpunkt der jungen Frau

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