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Grün. Le vert de la Provence

Grün. Le vert de la Provence

Titel: Grün. Le vert de la Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Burger
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spürte seinen Atem. Trotz der schwülen, fast tropischen Luft nach dem
Unwetter duftete der Mann frisch und sehr dominierend nach einem Eau de Parfum,
exklusiv, aber nicht typisch männlich oder sportlich herb.
    „Er macht seinen Job. Und der ist derzeit vermutlich
alles andere als erheiternd.“ Sie war einen Schritt nach vorn getreten, wollte
mehr Distanz zu ihrem ungebetenen Gast.
    Engler hatte am späten Vormittag am Tor geklingelt. Er
sei gestern Abend aus Köln angekommen und würde sie gerne sprechen, im Verlag
würde man sich Sorgen machen.
    „Um wen?“, hatte sie ihn durch die Sprechanlage gefragt.
    „Um Sie. Um die Überführung des Toten, um die ganze
Entwicklung, die zunehmend auch ein Problem für das Unternehmen wird.“ Sie
hatte das Tor geöffnet und ihn empfangen. Sie kannte Engler nur flüchtig aus
dem Verlag und von einigen Veranstaltungen. Ein Mann, der extrem auf sein
Äußeres, seine Gestik und Mimik bedacht war. Sein brillantes Aussehen, sein
Styling und sein tadelloser, im Fitnessstudio geformter Körper erinnerten sie
an die zahllosen Schwulen, denen sie so häufig in der Kölner City begegnete und
die, unerreichbar für jede Frau, äußerlich doch genau den Idealtyp verkörperten.
    Die Unterhaltung war schleppend verlaufen. Ein Aufpasser
und Spion aus Köln waren das Letzte, was sie derzeit gebrauchen konnte. Er
hatte nach Anselm gefragt, und wo er wohnen würde. Die Intention dieser Frage
war klar, da Engler offenbar mit Anselm telefoniert hatte und wusste, wo er
wohnte. „Verwandte und Freunde übernachten meist in einem unserer Gästezimmer.
Es gibt aber zwei einfache Hotels in Prades und einige auch recht exklusive
Unterkünfte unten im Tal, wenn Sie hier in der Gegend bleiben möchten.“ „Danke
für den Tipp“, hatte Engler geantwortet.
    Mitten in Englers Bemühen um Informationen und ihre
unwilligen Antworten hatte Anselm angerufen, und dann war auch noch Vidal
eingefallen. Der hatte Sturm geläutet und, nachdem das Tor geöffnet war, mit seiner
Armada den Garten und die Bastide gestürmt, um dann jeden Winkel im und um das
Haus abzusuchen. Sie war zu müde gewesen, um nach einem Durchsuchungsbefehl zu
fragen. Er sah sie offensichtlich weiter als Hauptverdächtige für den Mord am
Pass und nun auch Anselm als Tatverdächtigen für einen bestialischen Mord an
einem Käsehändler. „Wo ist Monsieur Bernhard?“
    „Das habe ich doch schon Ihren Kollegen erzählt, die
heute Vormittag hier waren. Er will sich die Provence ansehen.“
    „Was in der Provence? Wo in der Provence?“
    „Weiß ich nicht!“
    „Seit wann haben Sie ihn nicht mehr gesehen?“
    „Seit gestern. Er ist so gegen zehn Uhr hier abgefahren.“
    „Wohin?“
    „Er wollte sich Märkte in der Region ansehen. Ich glaube,
er ist zuerst nach Montigny gefahren.“
    „Was interessiert ihn so an Märkten?“
    „Es ist Kochbuchautor, da liegt dieses Interesse doch
nahe“, hatte Engler eingeworfen.
    Durch Vidal bekam Eds mysteriöse Bekanntschaft mit einer
Markthändlerin einen Namen: Pauline Bouchet, vermisste Eigentümerin eines einsam
gelegenen Hofes, auf dem ein anderer Markthändler ermordet worden war.
    Vidal befragte auch Engler, was er zur Tatzeit gemacht
habe. Der zeigte ihm den E-Mail-Ausdruck seiner ticketlosen Buchung: Thalys am
Samstag von Köln nach Paris Gare du Nord, Weiterfahrt mit dem TGV von Paris
Gare de Lyon nach Avignon-Méditerranée, Ankunft sechsundzwanzig Minuten nach
sieben am Abend.
    Nach einer Stunde, in der die ganze Truppe das Haus bis
in jeden Winkel abgesucht hatte, waren sie wieder verschwunden. Mitten in diesem
unglaublichen Unwetter hatte sie ein Anruf erreicht. Sie waren zu ihren
Fahrzeugen gerannt und abgefahren.
     
    „Was werden Sie jetzt unternehmen?“, setzte Engler die
Unterhaltung fort, „es schien nicht so, als wollte der Kommissar derzeit auf
Sie verzichten. Da kommt ein Abflug nach Köln wohl nicht infrage.“
    „Darum werden sich Montag die Anwälte kümmern.“ Sie
drehte sich zu Engler und lächelte müde. „Sie sollten sich jetzt ein Hotel
suchen. Wenn Anselm sich meldet, sage ich ihm, dass Sie in der Provence sind.
Er wird sich dann sicher mit Ihnen in Verbindung setzen.“
    Über die Videoüberwachung konnte sie verfolgen, wie
Engler das Grundstück verließ und sich das Tor hinter ihm schloss. Sie starrte
minutenlang auf die verwaiste Kiesfläche. Es war unwahrscheinlich, dass Anselm
an diesem Tag noch zurückkommen würde. Ein Gefühl der Beklommenheit

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