Grün. Le vert de la Provence
Interessensgruppen entstanden seien. Vielleicht hat eine der
Fraktionen ihn hergeschickt, um die Situation zu sondieren.“
„Fronten zwischen wem?“
„Zwischen der Geschäftsführung und der Tochter von
Monsieur Baumann.“
Vidal nickte kurz und stand dann unvermittelt auf. „Wir
werden unser Gespräch fortsetzen, Monsieur Bernhard. Für den Moment ist jetzt
Schluss. Halten Sie sich zur Verfügung und überlassen Sie uns die Suche nach
Pauline Bouchet. Es reichen zwei Mordfälle. Da draußen läuft noch ein Killer
rum, der ziemlich impulsiv vorgeht“, sagte der Kommissar. Mit einer knappen
Geste zeigte er Anselm an, dass er gehen könne.
Valeries Verhängnis
Das Unwetter hatte im Garten eine verheerende Wirkung
entfaltet. Laub, Zweige und sogar massive Äste lagen verstreut auf dem Boden.
Blütenbüsche und Blumen waren vom Sturm und den herabstürzenden Wassermassen
zerdrückt worden, das Erdreich der Beete in Schlammmoränen über den sonst so
gepflegten Kies verteilt. Alain würde viel Arbeit damit haben, wieder einen
einigermaßen passablen Zustand des Gartens zu erreichen.
Der kurze Einbruch von Kälte, die mit Gewitter, Sturm und
Regen die Region berührt hatte, war aber ohne nachhaltige Wirkung geblieben.
Die über Wochen aufgeheizte Erde dampfte jetzt die niedergegangene Feuchtigkeit
in warmen Schwaden wieder aus. Saunaluft, dachte Valerie.
Sie spürte das Bedürfnis, sich zu entkleiden und in den
Pool zu springen. Schwimmen, schwimmen, schwimmen. Nicht mit dem Körper aus dem
Wasser geraten. In diesem wunderbaren Lebensraum bleiben. Tauchen. Langsam und
beständig unter der Oberfläche durch die Stille gleiten, die Welt über sich in
groben Facetten als eine ferne, andere Wirklichkeit, als nebensächlich, als
bedeutungslos betrachten und die Sorgen, Ängste und die Verzweiflung vergessen.
Das alles ist deine Schuld, Ed! Du Arsch hast mein Leben
zerstört, als du die Möse von dieser blonden Nutte gerochen hast und deinen
Schwanz in sie hineinstecken musstest. Du dreimal verfluchtes Arschloch.
Schwimmen wäre eine Lösung. Eine unendliche Hilfe, diese
entsetzliche Situation durchzustehen. Sich ausziehen und hineinspringen. Nackte
Haut in vollkommener Umarmung spüren.
Aber sie wollte sich nicht ausziehen und in den Pool
springen. Nicht vor diesem Mann, der hinter ihr in dem Sessel saß und sie
vermutlich die ganze Zeit über anstarrte. Sie wandte sich kurz um, griff nach
einer Zigarette und dem Feuerzeug, ohne ihn eines Blickes zu würdigen oder ihm
eine Zigarette anzubieten.
Ich will doch gar nicht rauchen, dachte sie. Es schmeckt
widerwärtig und mit jedem Zug spüre ich meine Kraft aus dem Körper gleiten und
wie ich weich, betäubt und willenlos werde. Es ist ekelerregend.
Sie rauchte dann doch; sog den brennenden Dampf tief in
die Lunge, kostete den Ekel aus, den der Kontakt mit den Rezeptoren im
Rachenraum auslöste und verfolgte konzentriert den Schwindel, der ihren Körper
durch das Nikotin überkam.
Ihr wurde bewusst, dass nichts wieder so sein würde wie
zuvor. Und jetzt suchte Vidal auch noch nach Anselm. Unausgesprochen hatte
Mordverdacht zwischen seinen Worten durchgeklungen. Und Abscheu. Oder war das
schon Hass gewesen? Dürfen Polizisten hassen? Hasste er Anselm? Warum?
Vielleicht war der Mann auch nur extrem gestresst.
Verständlich! Zwei Tote in dieser kleinen Welt innerhalb weniger Tage, und
beide hingen mit ihr, mit Ed, mit dieser Pauline und jetzt mit Anselm zusammen.
Anselm ein Mörder? Was für ein Quatsch. Aber Anselm war nicht hier. Heute nicht
und gestern auch nicht. Ausgerechnet in dieser Situation.
Sie hätte ihn gern an ihrer Seite. Als einen Menschen, zu
dem sie Vertrauen gewonnen hatte, der sie wahrnahm, der in den vergangenen
Tagen zu einer Konstanten in diesem fragilen Zustand des Seins geworden war.
Sie vermisste ihn auch nachts. Anselm, der Distanzierte, der Abwartende, der
Beobachtende, der Zyniker. Er war auch ein feinfühliger Liebhaber gewesen, der
ihr das Maß an Zärtlichkeit entgegengebracht hatte, das für sie in jenem
Augenblick so dringend notwendig gewesen war, der genau das Quantum Leidenschaft
hatte wecken können, das die Ereignisse jenes Tages vergessen gemacht und der
ihr genau die körperliche und seelische Befriedigung gegeben hatte, die sie
hatte sich entspannen und einschlafen lassen.
„Sehr unentspannter Typ, dieser Kommissar“, sagte Thomas
Engler unvermittelt. Er war aufgestanden und stand jetzt seitlich hinter ihr.
Sie
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