Grün. Le vert de la Provence
Kloster oberhalb von Nizza aufgespürt
haben. Da gab es eine schaurige Vorgeschichte, hilf mir mal auf die Sprünge.“
„Der Mann ist kurz nach der Befreiung in zwei Verfahren
in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden, konnte sich aber über zwanzig Jahre
lang in Klöstern verstecken. Dabei ist er von Geistlichen gedeckt worden. In
den Sechzigerjahren verjährt das Todesurteil und Anfang siebzig werden ihm
seine Reisefreiheit und sein Vermögen wieder zugesprochen. Ein Aufschrei der Empörung
geht durch die Republik, vor allem als bekannt wurde, dass er dieses Vermögen
zu Teilen von den Juden geraubt hatte, für deren Deportation er selbst
verantwortlich war. Knapp zwei Jahre später kann der Fall neu aufgerollt
werden. Dieses Mal wegen seines Befehls zur Ermordung von sieben jüdischen
Geiseln. Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das nicht verjährt. Der Mann
taucht unter, wird schließlich per Haftbefehl gesucht. Wieder wird er von
Teilen der Geistlichkeit gedeckt. Eine erzkonservative katholische Gruppierung,
die sich selber Ritter nennen, unterstützt ihn finanziell, bis man ihn
schließlich bei Nizza verhaften kann und er als erster Franzose wegen eines
Verbrechens gegen die Menschlichkeit verurteilt wird. Zwei Jahre später stirbt
er im Gefängnis an Krebs.“
„Gruselig!“
„Kann man so sagen!“
Luc und Guillaume schwiegen eine Weile und hingen ihren
Gedanken nach. Dann sahen sich beide lange gegenseitig an.
„Was meinst du?“, fragte Vidal schließlich.
„Das ist alles unendlich lange her. Ich glaube nicht,
dass es einen Zusammenhang mit deinen Ermittlungen gibt. Aber man weiß nie. Der
Deutsche, der sich für diese Zeit interessiert hat, wollte vielleicht wirklich
nur Lücken in der Biografie seines Vaters füllen. Und das fällt dann ganz
zufällig zeitlich zusammen mit den Gewalttaten, für die es womöglich ein ganz
anderes Motiv gibt.“
„Daran habe ich auch schon gedacht. Dass der eigentlich
nur herausfinden wollte, ob sein Vater hier eine Liebschaft gehabt hatte.
Möglicherweise sogar mit Folgen.“
„Liebe passiert! Auch zwischen Besetzten und Besatzern.
Viele dieser deutschen Jungs waren ja vermutlich auch ganz anständige Kerle,
die den Befehlen ihres verbrecherischen Regimes folgen mussten.“
„Vermutlich.“
„In jedem Fall sind von den damals Handelnden heute kaum
mehr welche am Leben, und die dürften nicht mehr in der Lage sein, irgendeine
Gewalttat zu vollbringen. Und die Nachfolgegenerationen sind ganz deutlich an
einem verlässlichen und vertrauensvollen Miteinander interessiert. Wenn es also
einen Bezug geben sollte, könnte der eigentlich nur zu einer Institution
führen, die seit vierundvierzig besteht, die damals vielleicht in schreckliche
Machenschaften involviert gewesen ist und heute den guten Ruf nicht riskieren
will, den man in den vergangenen sechzig Jahren aufgebaut hat.“
„Zum Beispiel ein Unternehmen?“
„Zum Beispiel.“
„Kennst du welche, die da infrage kommen?“
„Spontan nicht. Und dann müsste ja auch irgendwo ein
Zusammenhang herzustellen sein. Zumindest in Richtung des toten Deutschen. Ich
denke, ihr werdet euch zunächst auf die Suche nach dem Täter beschränken müssen
und dann erst nach Motiven Ausschau halten, zumindest nach so hypothetischen.“
„Das tun wir schon, wir wollen nur nichts ausschließen.
Das könnte sich als fatal erweisen.“
Vidal hatte seinen Notizblock zugeschlagen und nickte
zustimmend. Dann stand er auf. „Ich muss wieder los. War nett von dir, meinen
Kenntnisstand zu erweitern. Eine Frage habe ich allerdings noch, das hat aber
nichts mit vierundvierzig zu tun, sondern mit dem Jetzt. Du kommst doch auf
deinen Touren hier viel herum. Es gibt da oben in Prades eine Frau, die auf dem
Markt Heilkräuter, Essenzen und solche Dinge verkauft. Pauline heißt die. Hast
du von der schon mal was gehört? Ich meine, möglicherweise wird über ihre
Kräuterkenntnis erzählt?“
Guillaume legte den Kopf schief zur Seite und sah Luc mit
einem schelmischen Grinsen an. „Junge, hast du das schon nötig? Du bist doch in
deinen besten Jahren, stehst voll im Saft.“
Vidal schüttelte irritiert den Kopf. „Versteh ich nicht!“
„Diese Frau ist berühmt! Männer vergöttern sie. Ich
meine, vorwiegend ältere Männer. Sie verkauft ein Mittel, das den Spargel
wieder stehen lässt. Aus heimischen Kräutern gewonnen. Man sagt, es sei viel
wirksamer als diese Pillen. Ich kenne etliche, die darauf
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