Grün. Le vert de la Provence
gebracht.Anselm hatte diese Beschuldigung als blanken Unsinn
bezeichnet, da es lediglich eine vage Möglichkeit gewesen war, Pauline hier
anzutreffen. Beide waren aber einigermaßen beruhigt gewesen, als sie hörten,
dass Pauline und Alain noch lebten.
„Und Sie glauben, dass kann ich Ihnen jetzt sofort und
umfassend beantworten?“ Valerie schob ihre Sonnenbrille ins Haar und lächelte.
Es wirkte zynisch.
„Das wäre besser für Sie!“
„Warum?“
Der Mann zuckte mit den Schultern. „Ich müsste sie
anderenfalls verhaften.“
Valerie schloss für einen Moment die Augen. „Freitag,
sagten Sie? Da kann ich Ihnen, glaube ich, dann doch weiterhelfen. Ich war in
den beiden ersten Juniwochen in den USA. Mit meinem Mann. Geschäftlich. Wir
haben einige Autoren und Verlage besucht. Insgesamt war das für mich ziemlich
langweilig.“ Sie schob die Sonnenbrille wieder vor die Augen. „Der besagte
Freitag muss der zweite gewesen sein, den wir drüben verbracht haben. Wir waren
abends bei einer Veranstaltung des Goethe-Instituts in Chicago eingeladen. Ein
beachtliches gesellschaftliches Ereignis. Sie können dort nachfragen, man wird
sich an mich erinnern. Einige Journalisten werden das gewiss auch.“ Sie machte
eine Pause, befeuchtete die Kuppe ihres Zeigefingers mit Spucke und rieb über
einen Mückenstich auf ihrem Bein. „Wenn ich mich nicht täusche, können Sie auf
der Website des Instituts auch die Fotos des Abends ansehen. Ich bin die
Brünette mit den kurzen Haaren“, sagte sie beiläufig und lehnte den Kopf
demonstrativ gegen den von Anselm. „Ach ja“, fügte sie hinzu, „wozu dient das
denn eigentlich? Hat es am zwölften Juni einen ungeklärten Mord gegeben, für
den Monsieur Vidal wieder einen Täter sucht?“
„Sehr komisch!“ Der Polizist steckte den Block zurück in
die Hosentasche. „Im Juni ist mit der gleichen Pistole, aus der auf Melissa
Lindner geschossen wurde, tatsächlich ein ‚Mord‛ verübt worden.
Allerdings nicht an einem Menschen, sondern an einem Rottweiler. Von einem
Jogger. In Köln.“ Er zog den Block erneut hervor und las mit französischer
Aussprache das Wort Stadtwaldgürtel vom Papier ab. „So heißt der Ort, an dem
der Hund erschossen wurde!“ Valerie und Anselm benötigten einige Sekunden,
bevor sie begriffen, was der Mann abgelesen hatte. Der drehte sich um und ging
zurück zu einer Gruppe von Polizisten, die im Schatten des Klosters die
Mitarbeiter befragten. Die Anlage war zwischenzeitlich für den Publikumsverkehr
gesperrt worden.
„Du jagst im Kölner Stadtwaldgürtel Rottweiler und lässt
dich in Chicago doubeln, gib es zu“, witzelte Anselm.
„Das könnte natürlich so sein, aber ich jogge nicht. Da
liegt der Haken. Es muss dann doch jemand anderes in Köln mit der Pistole
geschossen haben. Vielleicht ja sogar Melissa.“
„Nach dem, was wir von ihr wissen, war sie wohl eher
nicht der Joggingtyp.“
„Dann hat sie die Pistole wohl von jemandem erhalten, der
im Kölner Stadtwald mit einer Waffe in der Trainingshose joggt, um gelegentlich
damit Hunde abzuknallen. Das muss schon eine bemerkenswerte Persönlichkeit
sein.“
„Mir fällt spontan einer ein!“
Valerie drehte den Oberkörper zu Anselm um und sah ihn
fragend an.
„Thomas Engler!“, antwortete Anselm auf ihren Blick. „Der
unternimmt fast alles, um seinen Körper zu formen. Als ich ihn Donnerstagabend
aus der Bastide angerufen habe, war er auch grade im Stadtwaldgürtel joggen.
Das hat er mir erzählt. Und ihm würde ich es auch zutrauen, einen Rottweiler zu
killen, der ihm auf die Pelle rückt.“
„Engler?“ Valerie setzte sich aufrecht hin und ließ die
Beine von der Mauer baumeln. „Das würde ja bedeuten, …“
„Dass Engler und Christoph Seefelder unter einer Decke
stecken und sie die Falle für Ed gemeinsam geplant haben“, vervollständigte
Anselm ihren Gedanken. „Ich konnte mir eigentlich auch nicht so recht
vorstellen, wie ein Mann wie Seefelder an diese Melissa hätte herankommen
sollen. Er musste einen Vertrauten gehabt haben, der ein solches Mädchen
passend zu Eds Vorlieben finden konnte. Und dieser Vertraute könnte tatsächlich
Thomas Engler sein. Der kannte Ed durch und durch. Alle seine Vorlieben,
Schwächen, Eigenarten, Stärken. Vermutlich hätte kein anderer als Thomas ein
Mädchen so zielgenau auswählen können. Quasi ein Investment mit
Erfolgsgarantie. Die beiden konnten hundertprozentig davon ausgehen, dass Ed
alles in Bewegung setzen würde, um
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