Grün war die Hoffnung
Rechnungen und kassierte Mieten und kurbelte das Autofenster runter, um dem wirbelnden Abfall entlang der Asphaltstraßen meinen Teil an Taschentüchern, Eisstielen und Zigarettenschachteln hinzuzufügen.
Noch mehr? Ich habe Wein getrunken, Geld verschleudert, meine Tochter erzogen und mit angesehen, wie sie ihrerseits zur Sammlerin wurde. Und genau wie ihr – falls ihr in der Ersten Welt lebt, und das muß ich annehmen, denn wie könntet ihr das hier sonst lesen? – schädigte ich die Umwelt auf diesem zerlumpten, blutigen Planeten etwa zweihundertfünfzigmal schlimmer als jeder Bangladescher oder Balinese, und die tun auch ihren Teil, keine Sorge. Oder sie taten ihn. Aber davon will ich jetzt nicht auch noch anfangen.
Sagen wir nur, daß ich eine Erleuchtung hatte – mit Hilfe eines ordentlichen Rippenstoßes von Andrea, Teo (möge er in der Hölle schmoren oder im interplanetaren Raum oder wo auch immer) und den übrigen harten Kämpfern von Earth Forever!. Kräfte wurden in Gang gesetzt, Räder begannen zu rollen. Ich verkaufte das Haus, die Autos, das verfallene Einkaufszentrum, das mir mein Vater vererbt hatte, die Windsurfingausrüstung, den Komfortliegestuhl und meine Komplettsammlung Bootleg-Kassetten von Bob Dylan, den gewaltigen Bodensatz, den der langsam wandernde Gletscher meines alten Lebens hinterlassen hatte, meines Verbrecherlebens, jenes Lebens, das ich führte, ehe ich zum Freund der Erde wurde. Freundschaft. Sie hat mich in die Bewegung geführt, und sie hat mich auch hinausgetrieben bis an den nackten Rand des Nichts, jenseits von Sinn und Verstand – oder auch nur Hoffnung. Freundschaft mit der Erde. Mit den Bäumen und Sträuchern, den heimischen Gräsern und den Antilopen in den Steppen, den Känguruhratten in der Wüste und allem übrigen, was unter der Sonne lebt und atmet.
Das heißt: bis auf Menschen. Denn um ein Freund der Erde zu sein, muß man zum Feind des Menschen werden.
Krankenversicherung hab ich natürlich keine – niemand hat so was, das ganze System ist längst bankrott gegangen, und fragt erst gar nicht nach einer staatlichen Rente –, aber einen zahlenden Kunden sehen sie immer gern durch die Türen der Notaufnahme hasten. Was es auch kostet – und diesmal wird es gar nicht soviel werden –, man weiß hier, Mac wird für mich aufkommen. Maclovio Pulchris. Der Name ist ein Zauberwort, besser als Bargeld, weil man davon ja nur gewisse Mengen bei sich tragen kann – Mac ist meine Krankenkasse und Sozialversicherung in einem. Und jetzt hab ich auch noch Andrea dabei, eine Frau, die Extremsituationen geradezu herbeiführt: eine einzige Liebesnacht, und schon sind wir hier. Sie greift mir – buchstäblich – unter die Arme, während wir uns durch die Türen schleppen, irgendwo hinter uns donnert Chuy die Rampe der Parkfläche hinauf, als wollte er mit dem Geländewagen ins Weltall abheben. »Was ist Ihr Problem?« will der Portier wissen, ein Monster von Mensch, das mir vage bekannt aussieht (Swensons Kneipe? Gestern abend?), auf Nase, Lippen, Schädel und Unterarmen hat er einen Flickenteppich aus alten und neuen Hautkrebsgeschwüren. »Gar nichts, Sie Hirn«, sagt Andrea, und da ist wieder dieser scharfe Ton, »der Mann hier verblutet nur gerade, sonst nix.«
Es folgt der Nervenkrieg mit den Formularen – rund zwanzig, fünfundzwanzig Seiten insgesamt. Andrea preßt sich eng an mich, ihr großer Daumen drückt immer noch auf die Wunde, die Frau hinter dem Schreibtisch gähnt, die Funksprechanlage kracht, irgendwer wandert davon, um eine Klemme aufzutreiben und einen der Ärzte aus seiner Trance zu wecken. Alle Fenster sind zugenagelt, weil man es leid war, sie alle drei oder vier Tage neu zu verglasen, die Lichtqualität entspricht der eines Luxusmausoleums. Deprimierend. Extrem deprimierend. Um die Stimmung zu verbessern, witzele ich darüber, daß Petunia mich nur am linken Arm erwischt hat, sonst wäre ich echt angeschissen, was das Ankreuzen dieser Formularkästchen angeht. Niemand lacht. Und sogar hier, in der Tiefe der bleichegeputzten und fast blitzsauberen Korridore, mit sechs Etagen aus Stahl und Beton und Körpersäften über uns, kann ich den Regen hören. Sssssss , zischt er, Hintergrundmusik für jedes menschliche Drama. Sssssss.
Was braucht es diesmal? Zweiunddreißig Stiche und einen halben Kilometer Verbandgaze, keine große Sache und nichts für ungut, sage ich dem Arzt, aber mir ist es schon schlimmer ergangen. Wesentlich schlimmer. Ich werfe
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