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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ermutigt, sich ihm zu nähern und nach seinen Knöcheln zu schnappen, ohne freilich dabei beweiskräftiges Blut spritzen zu lassen, die Bullen zogen pflichteifrig Dienstwaffen und Handschellen hervor, und man führte Tierwater aus dem Gebüsch über den Parkplatz, wo das Barfußgehen schmerzhaft war. Eine Menschenmenge war versammelt und sah zu, wie der Sheriff seiner Pflicht nachkam, indem er den überwältigten und gefesselten Desperado auf den Rücksitz des Streifenwagens schob – Publicity, dafür haben wir es doch getan , sagte sich Tierwater immer wieder und versuchte so, die Niederlage in einen Sieg, Demütigung in Triumph zu verwandeln, aber er war halb nackt, sein Haar zerwühlt, und er fühlte sich so gar nicht als Kreuzritter, eher wie eine Gestalt aus einer Opera buffa.
    »Rein mit dir, du Arschgesicht«, sagte der Sheriff halblaut, während er die breite Hand auf Tierwaters Kopf spreizte und ihn in den Wagen zwang, wo ihm Deputy Sheets schon erwartete. Einen kurzen Moment lang, in dem sein Verstand völlig vernebelt war, dachte Tierwater daran, die Tür wieder aufzutreten und irgendwie davonzuhinken, denn die ganze Sache hier war ja der reinste Wahnsinn – ein friedlicher Protest, und was hatte sich daraus entwickelt? –, und es tat ihm im Herzen weh, denen die Genugtuung zu verschaffen, ihn derartig niederzuwerfen. Lieber sterben, als sich beugen. Der Unterkiefer tat ihm weh, so sehr biß er die Zähne zusammen. Er schwitzte. Sein Herz pochte, sein Blick schweifte wild umher, er hatte Zweige, Samenkörner und Kletten im Haar. Tritt gegen die Tür! brüllte eine Stimme in seinem Kopf. Tritt gegen die Tür!
    Er trat nicht. Das brauchte er gar nicht. Andrea war da – Andrea und ein Rechtsanwalt mit Bart und Aktentasche – und Teo auch, der ihnen auf Krücken folgte. »Wir wollen seine Kaution aufbringen«, sagte Andrea, und durch das Fenster des Polizeiwagens sah Tierwater die geflügelten V-Fältchen auf ihrer Stirn.
    Sheriff Bob Hicks tat sehr amtlich, als er vorne um das Auto herumging, nachdem er die hintere Tür zugeknallt hatte wie einen Sargdeckel. Er stieß ein kurzes, höhnisches Gebell von Lachen aus. »Kaution? Ist noch keine festgelegt – er ist ja noch nicht mal dem Haftrichter vorgeführt worden.«
    Der Anwalt wurde höchst aufgebracht und konterte mit etwas, was Tierwater nicht hören konnte. Andrea bückte sich, um durchs Fenster hereinzusehen, und Tierwater der Desperado preßte die Finger gegen das Glas, es war wie im Film, genau so – Besuchstag im Zuchthaus, die Zeit ist vorbei, Jungs, hier geht’s raus, die Damen. Sie sagte irgend etwas, ihre Lippen bewegten sich, der Polizeihund bellte vor Freude am Bellen, die Menge johlte, irgendwas über Sierra...
    »... zu krank für eine Gefängniszelle?« wiederholte der Sheriff gerade und richtete den Zeigefinger auf den Anwalt. »Und da zieht er diese Scheiße hier ab, flieht einfach aus unserem Gewahrsam? Was hast du dazu zu sagen, Fred, hä?«
    Fred der Rechtsanwalt hatte eine Menge zu sagen, wenn auch das meiste davon an Tierwater vorbeiging, aber während des folgenden Wortwechsels konnte er sich nach vorn beugen, wo in der Plexiglas-Trennwand zum Fahrersitz eine praktische Öffnung zum Zwecke der Kommunikation zwischen Verbrecher und Ordnungsbeamtem angebracht war. »Wo ist Sierra?« schrie er in das heruntergebeugte Gesicht seiner Frau.
    »Kinderschutzprogramm.«
    »Was? Was soll das bedeuten?«
    Hier schaltete sich Deputy Sheets ein, der neben ihm auf der robusten harten Rückbank saß. Sheets war in seiner Berufsehre gekränkt worden, und er fand das nicht lustig. »Jugendknast«, sagte er und riß Tierwater an den Handschellen, damit er sich ihm zuwandte. »Da sitzt sie mit den Ausreißern und den Ladendieben, mit Junkies und Mördern. Und da bleibt sie auch, bis der Richter sein Urteil fällt.«
    »Sein Urteil?« Tierwaters Herz raste. »Worüber denn?«
    »Na, was glauben Sie wohl? Ob Sie als Vater tauglich sind oder nicht.«
    Er fuhr wieder herum, um in Andreas Gesicht zu lesen, und in ihm tat sich eine schwarze Kluft aus Reue und Verzweiflung auf, endlos tief und unüberbrückbar. Er wußte es. Hatte es die ganze Zeit gewußt. Ärger ist etwas vollkommen Normales in einer Welt, die vom Zufall bestimmt ist, logisch, genau wie Blitzeinschläge, aber nur ein Narr – nein, streichen wir das –, nur ein unverbesserlicher Trottel handelt sich den Ärger mit Absicht ein.
    Deputy Sheets räusperte sich. »Da hätten wir noch

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