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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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nicht irre?« Das war es, auch für sie. Er konnte es am Glanz ihrer Augen sehen und daran, wie sie ihm das Gesicht zuwandte. »Und diese zwei Frauen? Stimmt es, daß die gerade ihre Menstruation hatten?«
    »Man muß sich mal klarmachen, daß die Viecher auf ihre Nase angewiesen sind – sie müssen alles erschnüffeln: Winterportulak, Kiefernzapfen und Aas, das kaum richtig tot ist. Weil sie nämlich nie genug zu fressen kriegen können und ihr ganzes Leben ein ständiger Gang zur Salatbar mit einem schönen Stück Fleisch als Beilage ist. Tja. Die Frauen hatten ihre Regel, und vielleicht hatten sie auch Parfum benutzt. Ein Grizzly riecht so was – Blut – kilometerweit. Das ist, als ob man eine Essensglocke läutet ...«
    »Ach, komm!«
    »Doch. Und deshalb gibt’s keinen Sex. Sie können unsere Sekrete riechen.«
    »Ach, komm!«
    »Nein, wirklich. Letzten Sommer, hier im Glacier Park, wurde ein Pärchen im Zelt umgebracht. Nachts. Von einem Bären. Sie waren – jedenfalls wurde das nach der Untersuchung gesagt – gerade mitten dabei.«
    Also die Pfannkuchen. Die Pfanne war schwarz, innen wie außen, der Ruß zog sich wie Lack den Stiel entlang. Tierwater schlug nach Moskitos und würgte Janes Kreationen hinunter, die nach verschmortem Sägemehl schmeckten, und sah dabei zu, wie seine Frau ihre Portion aß. Sirup gab es keinen. Sirup war ein zu starkes Bärenlockmittel. Das Getränk der Wahl? Teichwasser, frisch aus der Blechtasse.
    Was ein starkes Bärenlockmittel war und was nicht, hatte am Vorabend eine weitaus geringere Rolle gespielt. Sie waren jetzt eine Woche hier – eine vorbei, noch eine vor sich – und sammelten den Kot des Gelbbauch-Murmeltiers, den sie in Pausenbrottüten abfüllten. Jane war Doktorandin in Wildbiologie, und eine ihre Professorinnen untersuchte, aus Gründen, die nur ihr selbst ersichtlich waren, die Nahrungsvorlieben der Murmeltiere des Glacier National Park. Nun mußte Dr. Rosenthal aber für zwei Wochen auf eine Rodentia/Sciuridae/Mustela- Konferenz nach Toronto, worauf Tierwater und Jane sofort die Gelegenheit ergriffen, sie bei ihrer Studie kurz abzulösen, obwohl das bedeutete, daß sie Sierra bei ihrer Großmutter in Watertown lassen mußten. Das schmerzte. Dennoch gab es keinerlei Diskussion darüber – für Jane war es eine Chance für Feldforschung und ein paar Bonuspunkte bei ihrer Freundin und Mentorin Dr. Sandee Rosenthal, der weltweit führenden Murmeltierexpertin, und außerdem war es eine Chance für Tierwater und seine Frau, miteinander allein zu sein, romantisch allein, in idyllischer Umgebung. Ein zweites Mal Flitterwochen, herrlich.
    Nur eben kein Sex – es wäre zu gefährlich gewesen.
    Allerdings, als Jane einen Joint anzündete und ihre nackten Beine in seinen Schlafsack steckte, war es ihm praktisch unmöglich, seine Hände von ihr zu lassen und so wortlos sein Begehren zu zeigen – und sie hatte offenkundig das gleiche Problem wie er. Sie zog ihn an sich. Sie küßten sich, lange und innig, und dann, keuchend und erhitzt, zwangen sie sich wieder auseinander. Sie lagen unter dem Stoff der Zeltbahn und kämpften um Selbstbeherrschung – »Aber wir können doch ein bißchen rummachen, oder? Vielleicht nur eine kleine Weile?« –, lauschten dem Wasser, das von den Bäumen tropfte, während das Feuer draußen sich in die Glut verkroch, und die Stille, das Marihuana, die Elektrizität ihrer Körper, alles zusammen ließ die Dinge aus dem Ruder laufen. Sie hatten Grizzlys bisher weder gesehen noch gehört, noch Spuren gesichtet, Losung gefunden oder ausgehöhlte Baumstümpfe entdeckt. Also riskierten sie’s. Sie konnten nicht anders. Und es war um so intensiver wegen der Gefahr – der gebrochene Vorsatz, der Kitzel dabei –, und als es vorbei war, überwanden sie sich, stiegen aus dem Schlafsack und folgten dem Strahl der Taschenlampe zum Teich, wo sie sich in die eisige Umarmung des Wassers begaben, um ihre Körper mit geruchloser Seife abzuschrubben, bis ihnen die Zähne klapperten und die Lippen blau wurden.
    Tierwater mampfte weiter seine kautabakartigen Pfannkuchen, in seinem Haar sammelten sich Regenatome, und er starrte in den Baldachin der Bäume empor, öffnete sich völlig dem Erlebnis. Er fühlte sich gesegnet, reich beschenkt und – er war damals erst neunundzwanzig, deswegen muß man ihm vergeben – nahezu unverwundbar. Als Jane aufschrie, lachte er beinahe, so komisch war die Situation. »Oh!« rief sie, das war alles – nur »Oh!«

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