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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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sie sich jetzt auf einer Schotterstraße befanden; der Wagen schwänzelte unsicher hin und her, die Reifen versprühten Kies, und hinter ihnen stieg ein Kondensstreifen aus Staub in die Höhe – und was noch? Was war das für ein Geräusch? Die Erkenntnis durchfuhr ihn wie ein Blitz: es war eine Sirene – eine Sirene ! –, die da in der Ferne heulte. Andrea kämpfte mit dem Lenkrad, sie kamen auf einen Unkrauthügel neben der Straße schleudernd zum Stehen, und alle drei fuhren herum und starrten durch das Rückfenster auf die Kreuzung, von der sie abgebogen waren. Tierwater sah ein Bahrtuch aus sonnenhellem Staub, einen Tunnel aus Kiefern, die Natur, die nach ihnen zu greifen schien. Sein Herz pochte. Die Sirene jaulte einmal, dann noch einmal. Und dann sah er es: das Aufblitzen eines roten Flecks, der an der Abzweigung zur Schotterstraße vorbeischoß: Winde und Leiter, Männer in T-Shirt und Helm – ein Blick, und schon war er wieder weg. »Ein Feuerwehrwagen«, sagte er und konnte kaum Atem schöpfen. »Es war nur die Feuerwehr.«
    Der Himmel hatte sich langsam zugezogen, die Wolken ein tiefhängender schmutziger Teppich, der auf der Leine hing und geklopft worden war, bis die hellen Ecken sich dunkel verfärbten. Tierwater lag auf dem Rücken in einem Nest aus Gras, das zusammengeknüllte karierte Hemd als Kopfunterlage, die Baseballmütze auf der Brust ruhend wie ein schlafendes Schmusetier, und sah den dahinziehenden Wolken zu. Er roch Chlorophyll, Erde und den scharfen Duft von wilden Blumen, deren Namen er nicht kannte. In einer halben Stunde würde es regnen.
    Fünf Meter neben ihm buddelten Sierra und Andrea eifrig Schlamm aus einer Bachrinne neben der Straße und bewarfen damit das Auto. Sie zielten auf einen Jackson-Pollock-Effekt, ein komplexes abstraktes Flechtwerk, das den Wagen irgendwie in etwas Harmloses, Unauffälliges verwandeln sollte, in das typische Gefährt eines Ortsansässigen, mit so verdreckten Nummernschildern, daß man auf den ersten Blick nicht erkennen konnte, ob sie aus Kalifornien oder Oregon stammten – oder auch aus Saskatchewan. Tierwater hätte sie belehren können, daß sie nur ihre Zeit verschwendeten – weil der Regen alles abwaschen würde, keine Frage –, aber er wollte ihnen nicht den Enthusiasmus rauben. Außerdem hatten sie so etwas zu tun, gesunde körperliche Aktivität, um die Stunden bis zur Dämmerung zu füllen. Dann würden sie versuchen, die kalifornische Staatsgrenze zu erreichen, um sich im Verkehrsstrom zu verlieren, der in dichten Pulks aus Blech und Glas aus dem Norden heranrollte.
    Für Andrea war es ein Riesenspaß, und Sierra, die das Mondgesicht und die festen, ungelenken Beine ihrer Mutter hatte, lachte dazu, sie lachte wirklich, während der Schlamm spritzte und Robin Goldmans Chevy Nova zum Kunstwerk wurde. Sehr erfreulich – sie hatte Angst verspürt, keine Frage, Angst und Verunsicherung, während ihr die Spießer ins eine Ohr und die Bullen und dieser Jugendanwalt ins andere flüsterten –, und mochte Tierwater im vergangenen Monat auch die Hölle durchlebt haben, er konnte nur ahnen, wie es für sie gewesen sein mußte. Andrea jedoch war wunderbar. Andrea hatte sie an sich gedrückt, sich mit ihr hingesetzt und geredet, sie teilten sich ein altes Sandwich und eine Dose mit lauwarmer Limonade, und Tierwater war bei ihnen gewesen, die Arme um beide geschlungen und so gerührt, daß er kaum sprechen konnte.
    »Ich weiß ja, daß wir das nie wiedergutmachen können, Liebes«, sagte Andrea, »und es war mein Fehler, absolut mein Fehler, das mußt du wissen. Dein Vater wollte dich nicht mitnehmen damals – er hatte recht, und ich hätte auf ihn hören sollen, denn du weißt doch, daß wir nie etwas getan hätten, um dich bewußt in Gefahr zu bringen oder auch nur dem geringsten Risiko... aber das wäre mir im Traum nicht ... das sind Dreckskerle, mit denen wir’s hier zu tun haben, echte Schweine, die werden alles unternehmen, um uns kleinzukriegen. Aber du wirst dadurch stärker werden, glaub mir.«
    (Das war eine fragwürdige Feststellung, die die Zukunft völlig außer acht ließ, die Verstecke, den Untergrund, die falschen Namen, die Paranoia und den ewigen Wechsel von einer Schule zur anderen – aber meine Tochter war erst dreizehn und so glücklich, daß wir sie gerettet und dem eisernen Griff dieser Wohltäter entrissen hatten, daß sie nichts in Frage stellte. Wie zieht man eine junge Radikale heran? Ich könnte das Handbuch dazu

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