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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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aber leider nicht eßbaren Landschaft, und suchten nach Zeichen für den unvermeidlichen Zusammenbruch. Frustration lag in der Luft. Und Wut. Und mehr noch, Hunger – verzweifelt, nagend, mordgierig.
    »Mäuse«, fauchte Andrea, die Arme in die Hüften gestemmt, die Haut zur Farbe von gekochten Frankfurtern verbrannt, »nicht mal Mäuse fangen wir. Wie viele Kalorien haben wir beim Graben dieser Fallen verbraucht, was meinst du, Ty? Und selbst wenn wir eine fangen, meinetwegen auch zehn, was würde uns das nützen? Wie groß sind die nach dem Abhäuten und Ausnehmen – Marshmallow-Format?«
    Tierwater war von etwas ergriffen – von einer Verkennung der Realität, das war es wohl –, und hier draußen, wo es keine Mikrofone, Stöckelschuhe oder zu umgarnende E.F.!-Spender gab, da war er der Anführer. »Bären fressen sie auch«, sagte er lahm und starrte auf die dunkle, alberne Öffnung des leeren Lochs zu seinen Füßen.
    »Ja, ja«, sagte sie, »und Menschen fressen Bären. Warum fangen wir nicht einen Bären, Ty? Kennst du nicht ein paar gute Bärenfleischrezepte?«
    Den Rest des Tages verbrachten sie am Flußufer, wo sie nach den flüchtigen Schatten grapschten, die die Fische sein mußten, doch es war ein Pechtag, und schließlich gaben sie sich damit zufrieden, Steine umzudrehen, um Käfer, Salamander, Regenwürmer und Skorpione aus ihren Ruheplätzen zu reißen. Alles zusammen, zwei Handvoll zerquetschter, sich noch windender Viecher, lag in der Mulde eines Steins, den Tierwater einfach mitten ins Feuer stellte. »Mir ist alles egal, Ty«, stieß Andrea hervor und zog die nackten Knie eng vor die Brust, während die Sonne von der Felswand über ihnen niederknallte und der Ambrosiaduft von irgend etwas, das Chris Mattingly sich gerade kochte, durch die Schlucht zu ihnen wehte, »aber ich esse nichts, wo noch die Beine dran sind. Ganz bestimmt nicht.« Also zermörserte Tierwater die Masse mit dem stumpfen Ende eines Stocks, schlug wieder und wieder darauf ein, bis in der Wölbung des Steins eine dunkle Paste brutzelte. Sie aßen sie, bevor sie auskühlte – »Schmeckt ein bißchen nussig, findest du nicht?« fragte Tierwater und versuchte, die Dinge positiv zu sehen –, aber eine Viertelstunde später verschwanden sie hinter Büschen und würgten sie wieder heraus.
    Am nächsten Morgen war Andrea beim ersten Morgengrauen wach und kaute auf ein paar Blättern und Zweigen herum. Er kümmerte sich bereits um das Feuer, als sie sich plötzlich aus dem Dreck erhob und seinen Arm packte. »Ich will Fleisch«, sagte sie. »Fleisch. Hast du gehört?« Ihre Augen waren verschwollen. Sie grub ihm die Fingernägel in die Haut. »Können wir nicht wenigstens jagen gehen? Das tun doch die Menschen, wenn sie hungern. Ist das nicht die übliche Vorgehensweise?«
    Tierwater gab sich keine Mühe zu antworten, denn hätte er geantwortet, wäre es mit einer Gegenfrage gewesen – und zwar eine Frage, die garantiert echten Ärger ausgelöst hätte: Wessen Idee war das hier überhaupt? Also sagte er lieber nichts.
    »Was ist mit Murmeltieren? Gibt es hier Murmeltiere?«
    Das Feuer knackte. Es war noch früh, die Sonne butterte den Hügelkamm vor ihnen, der Cañon lag noch in dunkle Schatten getaucht. Tierwater war immer sehr für ein Frühstück gewesen – und zwar für ein herzhaftes Frühstück –, wenn er morgens aufstand. Es ist die wichtigste Mahlzeit des Tages , hatte seine Mutter immer gesagt, und sie hatte recht. Er wollte Kaffee, mit ordentlich Sahne und viel Zucker drin, er wollte Eier und dicke Scheiben kanadischen Speck, herrlich kroß getoastetes Hefebrot mit Butter, aber er erhob sich, und das Bild eines Murmeltiers – eines fetten, gelbkehligen Wesens, wie ein riesengroßes Eichhörnchen, aber so dumm, daß es nicht viel schlauer war als die Steine, zwischen denen es lebte – stand ihm klar vor Augen. »Hab früher mal Murmeltierdreck gesammelt«, sagte er und blinzelte wegen des Rauches. »Ich glaube, ich weiß, wo welche zu finden wären – da oben vermutlich«, sagte er und deutete auf die Anhöhe hinter ihnen.
    Sie blickten einander einen Moment lang an, ihre Körper verschmutzt, geschunden und praktisch sexlos, und dann drehten sie sich gleichzeitig um und kletterten den Hügel hinauf. Leicht war das nicht. Schon nach nur fünf Tagen spürten sie die Auswirkungen der Unterernährung, eine Schwäche der Glieder, eine Unbeholfenheit, die ihren Schritten jede Eleganz nahm, ihre Gehirne fühlten sich an

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