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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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seines Kopfes wackelte wie ein Spielzeug an einer Schnur, und er wurde flankiert von zwei uniformierten Polizisten. »Das ist der Mann«, schnaufte er, »der da ist es«, und der Beamte zu seiner Linken – der mit dem Gesicht wie die Unterseite eines Stiefels – trat vor.
    Es war witzig. Obwohl er sich zum Volksvergnügen machte, mit seinem Penishalter, den er aus Weidenrinde und Klapperschlangenhaut gefertigt hatte, ein spindeldürrer Kerl, der kaum aufrecht stehen konnte, während seine Gattin, die tausendjährige Frau, in einem primitiven Rock samt Oberteil aus geflochtenem Gras tapfer neben ihm herhinkte, obwohl jetzt alles vorbei war und sie ihn hinter Gitter bringen würden, empfand Tierwater nichts als Erleichterung. Er war gelassen wie Jesus, der nach dreißig Tagen und dreißig Nächten der Versuchung aus der Wüste Sinai zurückkehrte, und als er den kalten stählernen Griff der Handschellen spürte, die sich klickend schlossen, hätte er vor Freude weinen können.

Santa Ynez, April 2026

    Und dann, eines Tages, hört der Regen endgültig auf. Da ist sie, die Sonne, zornig und sengend, an einem Himmel von der Farbe ausgebleichter Rotkehlcheneier, überall steigt Dampf auf, Wanderwelse zappeln, schon jetzt hat es dreißig Grad, dabei ist es erst acht Uhr morgens. Ich bin draußen, blinzle in das ungewohnte Licht, die Füße stecken fest im Schlick vor dem Haus, und ich sehe eine Flottille von arg zerzausten Gänsen auf dem Strom vorbeisegeln, den wir den Pulchris River getauft haben. Was ich empfinde? Den leisesten, winzigsten aufglimmenden Funken Hoffnung. So ist es. Hoffnung für die Tiere – und die haben gelitten, aber wirklich, ständig im Haus eingesperrt, keine frische Luft, ohne das Gefühl von Erde unter den Hufen und Pfoten, alles verdreckt, unregelmäßige Ernährung, kein Auslauf – und Hoffnung für mich und auch für Andrea. Mac hat versprochen, alles höher gelegen neu zu bauen, moderne Gehege und Käfige für die Tiere und einen Bunker für Andrea und mich, mit zwei Schlafzimmern, Küche und Wohnraum. Allerdings – und das ist die traurige Seite – ist es für gut ein Drittel unserer Exemplare zu spät. Die Warzenschweine sind abgetreten, alle vierzehn (eine Schweinepest, glauben wir, übertragen von den Pekaris oder auch von Chuy, aber ich bin kein Tierarzt). Lily ist ausgebüxt, die Brillenbärin hat sich vergiftet, als sie durch die Wand der Garage gebrochen ist, um einen Kanister Frostschutzmittel aufzuschlabbern, und außerdem gab es noch jede Menge anderer Katastrophen, die ich hier nicht näher anführen will.
    Jedenfalls war ich um sechs Uhr auf, denn das erstaunlich jähe Umschlagen der Witterung machte sich bei mir nachdrücklich in Kreuz und Hüftgelenken bemerkbar, das Kissen klebte vor Schweiß, und meine Brille lief an, sobald ich sie aufsetzte. Globale Erwärmung. Ich erinnere mich noch, wie damals nicht nur über ihre Ursachen, sondern über die Konsequenzen spekuliert wurde. Vordergründig gesehen, klang es gar nicht so übel, für jemanden aus Winnipeg, Grand Forks oder den Sachalin-Inseln jedenfalls. Treibhauseffekt, so nannte man das. Und sind Treibhäuser nicht angenehme, warme, nährende Orte, in denen man im tiefsten Winter Sagopalmen und Hydrotomaten züchten kann? Aber so ist es nicht. Nein, eher so, als ließe man seinen Wagen mit geschlossenen Fenstern tagsüber in der Sonne stehen, und wenn man wieder rein will, merkt man, daß sowohl die Fenster als auch die Türen von den Gummidichtungen zugeschweißt sind. Je heißer, desto mehr Verdunstung, und je mehr verdunstet, desto heißer wird es, denn das wichtigste Treibhausgas ist bei weitem der Wasserdampf. So ist es, und deshalb wird es in den nächsten sechs Monaten so heiß werden, daß der Pulchris River verdunsten und sich in den Himmel zurückziehen wird wie ein Geist mit langem Flatterschleier, und der ganze Schlamm hier wird hart wie Beton gebacken werden. Globale Erwärmung. Sie ist eine Tatsache.
    Doch im Moment schwebt meine Laune himmelwärts: ich bin hier, ich bin am Leben, und die Sonne scheint. Der Lenz ist da, und in meinem Kopf schwirrt es vor lauter Plänen. Ich habe noch nicht mal gefrühstückt oder mich auf dem Klo gequält, und schon schreite ich die Umrisse des neuen Löwengeheges auf einem prachtvollen Stück höher gelegenen Landes ab, gut ein Viertelhektar ockerfarbener Matsch voller Teufelsgras zwischen der Garage und dem Pavillon. Die Löwen leiden am meisten – das Fell geht ihnen

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