Grün war die Hoffnung
wie mit Zellulose vollgestopft. Sie rangen nach Luft wie Perlentaucher, ließen Stückchen von sich auf der rauhen Schale der Felsen zurück. Jeder Busch riß an ihnen. Sie schmeckten den eigenen Schweiß, das eigene Blut. Und als sie den Kamm des Cañons erreichten, eröffnete sich ihnen noch mehr Landschaft, ein wunderschönes Panorama, aber nichts davon genießbar. »Wir müssen ihre Löcher suchen«, keuchte Tierwater zwischen zwei tiefen, rasselnden Atemzügen.
Andrea starrte ihn nur an, sie rang nach Luft, die ganze Welt war hinter ihr ausgebreitet. Löcher, sie suchten nach Löchern.
Sie verteilten sich und suchten den Hügel ab, dabei scheuchten sie Eidechsen auf, die so schnell flitzten, daß sie gar nicht sicher sein konnten, sie gesehen zu haben. Sie kauten Zweige und hie und da eine unbekannte Beere, die giftig sein mochte oder nicht, aber sie fanden keine Losung, keinen Bau, kein Zeichen dafür, daß hier tatsächlich Murmeltiere – oder irgend etwas anderes – lebten. Tierwater, dessen empfindliche Haut auf Rücken und Schultern zur Unkenntlichkeit verschmort war, erfand Ausreden, fuchtelte mit den Händen herum und kramte Murmeltiergeschichten hervor, als sie unvermittelt erstarrten. Ein Geräusch drang durch die Luft, ein hoher, keckernder Pfiff, der von der benachbarten Anhöhe zu kommen schien. »Hörst du das?« fragte Tierwater, und seine Miene mußte ein echtes Schauspiel gewesen sein – geben wir ihm ein schiefes Grinsen, den Blick des wahnsinnigen Wissenschaftlers, das Aussehen des Kannibalen, der um die Ecke biegt und auf einen Sumoringer trifft. »Das ist ein Murmeltier. Gar kein Zweifel.«
Von dem Geräusch geleitet, schlichen sie in Deckung der hohen Kiefern durch das Gesträuch, bis sie eine Lichtung erreichten, die von etlichen Findlingen beherrscht wurde; im Zentrum dieser Steine saß, den breiten, flachen Nagetierkopf hin- und herwerfend im Rhythmus seines Rufes oder Kreischens oder was es auch war, ein Murmeltier. Ein gelbbäuchiges Murmeltier, fett und appetitlich. Tierwater sah Andrea an. Andrea sah Tierwater an. Er legte sich einen Finger auf die Lippen und bückte sich nach einem dicken Stock.
Eine Stunde lang robbten und krochen sie durch kratziges gelbes Gras, Tannenzapfen schabten an ihren Bäuchen, und sie beschlichen das Tier von entgegengesetzten Seiten. Es war heiß. Tierwater war weiß von Staub, und ihn juckte jede Faser seiner zerschundenen, zerkratzten Haut. Er sah Andreas Kopf hinter einem umgestürzten Baumstamm auftauchen, drei Meter hinter dem Murmeltier, dann holte er tief Luft und ging auf das Tier los, den Stock zum Schlag erhoben – und sie erhob sich daraufhin ebenfalls mit einem Kampfruf, den eigenen Knüppel fest gepackt. Sie hatten sich vorsichtig angepirscht, taktisch geradezu brillant, doch leider blieb das Murmeltier davon unbeeindruckt. Mit einem Pfiff, der an den ersten leisen Ton eines kochenden Teekessels erinnerte, verschwand es in seinem Loch.
»Na schön«, sagte Tierwater. »Bitte sehr, dann graben wir es eben aus.«
Und so gruben sie, mit brüchigen Kiefernästen statt mit Pickel und Spaten, in dem trockenen, steinigen Boden, und in ihnen rumorte und blubberte es, ihre Mägen verkrampften sich um ein Nichts. Sie gruben wortlos, ohne zu denken, Erde und Steine flogen auf, Äste brachen, und ständig hatten sie die Vision dieses dummen, stumpfäugigen Hasenzahntiers vor Augen – Fleisch, am Spieß brutzelndes Grillfleisch –, bis ihnen allmählich ein Geräusch in ihrem Rücken bewußt wurde, ein hoher, keckernder Pfiff. Sie fuhren beide herum und sahen das Murmeltier, das sie aus der Öffnung eines Baus etliche Meter weiter weg beobachtete und tadelnd mit dem Kopf wackelte. Tierwater hob einen Stein auf; das Murmeltier verschwand. »Kein Problem«, sagte Tierwater und drehte sich zu seiner Frau um. Sie war total verdreckt, das war sie, pechschwarze Hände, überall am Körper von einer feinen Schicht überzogen, die mit dem eigenen Schweiß an ihr klebte. »Du bleibst hier bei dem Loch da, ich grabe es da drüben aus.«
Und so gruben sie wieder, mit frischer Energie, sahen die Entfernung zwischen sich schrumpfen, während Tierwater den Gang in einer mäandrierenden Linie auf Andrea zu verfolgte, die sich ihm entgegenarbeitete. Eine halbe Stunde verging. Eine ganze. Und dann, endlich, obwohl sie kaputt waren – verkrampft, kaputt und zornig –, war das Ende in Sicht: es trennten sie keine zwei Meter mehr. »Ich scheuche es raus«,
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