Grün war die Hoffnung
daran, Zweige und Laubwerk zu sammeln, um ein Naturdach zu konstruieren, streng nach den Anweisungen in einem der Survival-Handbücher, die sie bei Ratchiss im Bücherschrank gefunden hatten. Es war eine reichlich rudimentäre Angelegenheit: auf einem Baumstumpf oder Felsen wurde in einem Meter Höhe ein Ast quer aufgelegt, gegen den sie zu beiden Seiten Zweige lehnten, und diese Konstruktion deckten sie schließlich mit Blättern und Buschwerk ab. Dann noch das Innere mit vier oder fünf Armvoll Laub als Bettstatt ausgelegt, und in Null Komma nichts hatte man ein halbwegs wetterfestes Obdach für die Nacht.
Die Dämmerung brach herein. Eine Wand aus kalter Luft arbeitete sich Meter für Meter den Cañon hinab, ließ sich in den tieferen Zonen nieder, tastete sich um die Ecken, verlangsamte den Metabolismus der verborgenen Schlangen und Skorpione und verpaßte Tierwater eine prickelnde Gänsehaut. Er kauerte über einem Feuerbrett – das heißt, einem sonnengebleichten Stück Treibholz – und drehte darin einen langen, schmalen und beinahe geraden Stab aus demselben Material. Andrea kniete neben ihm, sie hatte Pflanzenreste im Haar, ihre Brüste waren zerkratzt und verschrammt vom Schleppen vieler Ladungen Strandgut aus dem Fluß, sie rieb die großen Hände aneinander. »Fester, Ty«, trieb sie ihn an, »es raucht schon ein bißchen.« Und das tat es, ja, es rauchte, die Spindel fraß sich in die Mulde, während er sie heftig zwischen den Handflächen hin- und herdrehte, und das matte Glimmen einer Glut rötete die Spitze des Feuerholzes, Reibung und noch mehr Reibung, nun blies Andrea hinein, pustete mit aller Kraft. Da war sie – die Glut! Und diese Glut entzündete auch das Reisig für einen flüchtigen, verzweifelten Moment, ehe das Ganze als dünnes kleines Band aus Rauch erstarb. Nach Tierwaters Zählung war es das siebenundzwanzigste Mal, daß dieser Ablauf sich im Lauf der letzten Stunde wiederholte. Er war erschöpft. Seine Hände waren wund. Er ließ sich niederplumpsen und die kalte Luft über seine Schultern fallen wie den Mantel der Niederlage.
In diesem Augenblick wehte der Geruch eines problemlos brennenden Lagerfeuers zu ihnen, beißend und durchaus köstlich in der kühlen Luft. Dazu der Duft nach Essen – irgendeine Sauce, Tomatensauce, und das unverkennbare Aroma von frischem Kaffee. Tierwater zog seine Frau an sich und nahm sie in die Arme, und es war der traurigste Moment des gesamten Abenteuers. Gemeinsam wandten sie die Köpfe, um durch die Weidenzweige am Flußufer hundert Meter weiter stromaufwärts zu spähen. Durch das Gebüsch konnten sie mit Mühe die Gestalt von Chris Mattingly ausmachen, der gemütlich vor seinem Feuer saß. Und dann, so leise wie die ersten zögerlichen Laute der Vögel an einem kalten Frühlingsmorgen, drang ein Ton zu ihnen, dünn und melodisch. Er sang. Ermuntert von seinem Feuer, der Wildheit dieses Ortes und dem benebelnden Duft der gefriergetrockneten Vorspeise, die er in köstlichen Bissen zum Mund führte, sang Chris Mattingly ein Lied in die hereinbrechende Nacht.
Es wurde besser, und dann wurde es schlimmer. Als Tierwater am Morgen mit einem Schmerz in der Magengrube erwachte, der sich in ihn hineinbohrte wie die stumpfe Steinspitze eines Buschmannpfeils, gelang es ihm, ein Feuer in Gang zu bringen. Er hockte davor, seine Hoden baumelten im kühlen Sand, und nährte die tänzelnde kleine Flamme, bis sie höher tanzte, in das Nest aus Borke und Zweigen, das er vorbereitet hatte, und da war es: ein Feuer. Es war ein hungriges kleines Feuer, und es fraß zufrieden alles, womit er es fütterte, bis er schließlich aus dem Verhau von Strandgut, das auf der Landzunge verstreut lag, Äste von der Größe eines Kleiderständers hervorzerrte und sie mit aller Kraft gegen die Baumstämme schlug, so daß sie den gewünschten Brennstoff in praktischen, ein Meter langen Stücken ergaben. Er wußte nicht, wie spät es war – nur daß es hell war und die Kühle allmählich wich –, und er vollführte einen nackten Luftsprungtanz des Triumphes um das Feuer, schleuderte im Sand die Füße von sich. Sie hatten Feuer. Feuer!
Während Andrea weiterschlief wie ein Stein, ihre schlaffen Glieder bedeckt von schimmelndem Laub und all den kleinen, aber raubgierigen Dingen, die darin lebten, sammelte Tierwater Brennholz. Er suchte beide Seiten des Flusses ab, wobei er immer nach Fischen, Vogelnestern oder auch Schlangen Ausschau hielt – jawohl, er würde sich erfreut, ja
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