Grün war die Hoffnung
irgend so ein Öko-Spinner etwas in die Luft jagt oder ein paar Bäume mit Stahlnägeln spickt, verlieren wir Punkte in der Öffentlichkeit, ganz zu schweigen von den Abgeordneten im Kongreß. Dreiundsiebzig Prozent der kalifornischen Wähler sagen, sie sind für die Umwelt. Da brauchen wir sie nur noch dazu zu bringen, auch wählen zu gehen – und das tun wir auch. Es gelingt uns. Wir brauchen keine Gewalt mehr – vielleicht hätten wir sie nie gebraucht.«
Tierwater schwieg. Öko-Spinner. Das also war er jetzt? Ein unkontrollierbarer Faktor, eine Belastung für die Bewegung? Immerhin war er derjenige, der eine Strafe abgesessen hatte, während sie und Teo und die anderen händchenhaltend über die Blumenwiesen gehüpft waren – und Geld verdient hatten, nicht zu vergessen. Aber sicher. Denn war nicht Umweltschutz letzten Endes auch nur eine Karriere? Er hob das Glas an die Lippen und ließ den Wein auf seinem Gaumen spielen. Er roch wie eine mineralische Quelle und sonnenreife Früchte, doch er zog keinen Genuß daraus, denn dieser Duft war künstlich, und die Trauben, die ihren Saft dafür hergegeben hatten, waren mit Schwefel und Gott weiß was für Chemikalien behandelt worden. Eichen waren gefällt worden, um diesen Wein herzustellen. Lebensraum war verpraßt worden. In einem Weingarten lebte nichts, nicht einmal Fadenwürmer.
»Ich sage keineswegs, daß direkte Aktionen unnötig sind – vor allem gegen Konzerne wie die Axxam Corporation oder die Bergbaugesellschaften und so weiter. Aber sie müssen friedlich sein – und legal.« Das Licht der sinkenden Sonne glühte rosa auf Wänden, Küchenarmaturen und Hängepflanzen, und es fixierte Andrea auf ihrem Stuhl wie in einem Bild von häuslicher Ruhe – Sitzende Frau mit Weinglas –, was diese Szene ja auch war. Bis jetzt. »Wir haben großartige Sachen abgezogen da oben in den Sierras, Ty, und wir haben die Leute überzeugt, das weißt du. Von uns, von dir und mir. Und ich sage es noch einmal – wir können uns keine Schnitzer leisten.«
»Ich mache keine Schnitzer.«
Sie antwortete sofort: »Da bin ich mir sicher.«
Ihr Tonfall ärgerte ihn, weil eine stillschweigende Andeutung darin mitschwang: er würde sich deshalb keine Schnitzer leisten, weil er nicht viel mehr unternehmen würde, als seine Klappe aufzureißen und mit den Händen zu fuchteln, das sagte sie damit. Und noch mehr: sollte er es trotzdem wagen, Strickmütze, Fettschminke und Bolzenschneider hervorzukramen, gäbe es keine häusliche Ruhe, nicht in diesem Haus und nicht mit dieser Frau. »Du müßtest dich reden hören«, sagte er. »Du klingst wie die Nutte des Konzerns. Geht es dir wirklich nur darum – an die Spitze der Nahrungskette aufzusteigen? Um Politik? Und ein fettes Gehalt? Geht es darum?«
Sie legte den Kopf zurück und leerte ihr Glas. Dann knallte sie es mit solcher Kraft auf den Tisch, daß es fast zerbrochen wäre, und daran sah er, wie wütend sie war. »Ich stehe da draußen an vorderster Front, seit ich dreiundzwanzig bin – und wo warst du damals?«
»Was glaubst du, wie viele Arten sind ausgestorben, während wir mit nacktem Arsch durch die Berge gerannt sind? Sag mir das«, erwiderte er und ignorierte ihre Frage. »Wie viele haben wir gerettet in diesen dreißig Tagen? Und wie viele Straßen wurden gebaut, wie viele Bäume gefällt? Weltweit. Nicht nur in Kalifornien und Oregon, sondern weltweit.« Tierwaters Hand griff zur Flasche. Der Wein mochte Gift für die Umwelt sein, aber er sang in seinem Kopf. »Und da wir gerade beim Abrechnen sind: als ich in Lompoc war, wie viele Typen hast du da gevögelt?«
Damit war das Gespräch beendet, aus und vorbei.
»Na?« fragte er nach, und er fühlte sich gemein, wie eine Kröte, wie ein Verbrecher, wie einer, der seine Ehe mutwillig zerstört. »Ich kann dich nicht hören? Wie viele? Oder doch nur Teo?«
Jetzt war sie auf den Beinen und er auch. In dem Blick, mit dem sie ihn ansah, war kein Platz mehr für Liebe, nicht mal mehr für Sympathie. Sie war sogar jenseits von Zorn, ja jenseits von Verachtung. Wäre sie ein Hund – oder eine Hyäne oder ein Patagonischer Fuchs –, sie hätte geknurrt. So aber warf sie sich nur mit einer Kopfbewegung das Haar aus dem Gesicht, kehrte ihm den Rücken und stolzierte aus dem Bild.
Und Tierwater? Der schlug die Flasche so fest gegen die Wand, daß ihn der Aufprall bis ins Steißbein erzittern ließ. Er blieb eine Minute so stehen, den Flaschenhals in der Hand wie ein
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