Grün war die Hoffnung
Fleischstücken in einer großen Kühlbox mitzunehmen, dazu so viel guten Wein, wie wir unter den Sitzen verstauen können (Sake trinke ich keinen mehr, weder selbstgebrannten noch echten). Was wir hier tun, ist das überhaupt legitim – und vor allem auch legal? Natürlich nicht. Aber Mac, denke ich, hätte nichts dagegen gehabt. Immerhin habe ich ihm zehn Jahre meines Lebens gegeben, ohne mich zu beschweren, von seinen Frauen hat er weniger gekriegt.
Das Auto ist beladen. Die Schlüssel zum Haus habe ich in der Hand. Nur eines bleibt noch: die Tiere. In dem Moment, als ich diesen Räumungsbefehl in der Hand hielt, hatte ich beschlossen, sie freizulassen. Es war jetzt ohnehin scheißegal, und besser würde es für sie bestimmt nicht. Zwei Honigdachse, ein Männchen und ein Weibchen. Wohin würden die wohl gehen, was würden sie tun? Ihre Art stammt aus Südafrika und Indien, als überzeugte Allesfresser ernährten sie sich von Schnecken über Insekten bis zu Ratten, Knollenfrüchten, Obst und (logisch) Honig, aber jetzt ist die ganze Welt Afrika, und Indien, Bloomington, Kalkutta und die Bronx sind alle eins. Die Megafauna existiert nicht mehr, die Habitate sind auf Null geschrumpft, und es gibt praktisch keine Tiere mehr, bis auf die r-Strategen und ein paar Exoten. Also wieso nicht? Lassen wir sie frei und hoffen das Beste.
Ich trete ein Stück zurück von ihrem Käfig, die Nitro schußbereit im Arm, öffne die Tür mit der Drahtschlinge, die Chuy noch gebastelt hat, und schenke ihnen die Freiheit. Sie können unerhört bösartig sein – bei Kämpfen und Konfrontationen gehen sie direkt auf die Geschlechtsorgane ihrer Widersacher los –, und ich empfinde leises Unwohlsein bei dem Gedanken, sie auf die Apartments und deren verarschte Bewohner loszulassen, die Sakapathians und die übrigen, die dort ihr Leben fristen, aber als ich mit Andrea ihren schlanken weißgemützten Gestalten nachblicke, die sich über das freie Gelände rasch ins tote Unterholz entlang des ausgetrockneten Wasserlaufs schlagen, fühle ich letzten Endes nichts als Erleichterung. Vielleicht haben sie dort ein leichtes Leben, schmausen Ratten und Opossums – vielleicht paaren sie sich auch, und eine völlig neue Unterart entsteht: Mellivora capensis pulchrisia .
Mit den Pekaris ist es einfach. Die waren einst sowieso im Südwesten der USA heimisch, und ich brauche nur ihre drei Türen zu öffnen – eine in der Bowlingbahn, zwei in der unteren Eingangshalle – und zuzusehen, wie sie grunzend im Dämmerlicht verschwinden, und sie wirken nicht fremder oder ungewohnter als der Staub und die Steine und die Mesquitesträucher da draußen. Und die Schmutzgeier sind das reinste Vergnügen. Diese Vögel kennt man übrigens aus den alten Naturfilmen, sie haben weißliches Gefieder mit zerfledderten schwarzen Flügelspitzen, und sie waren es, die Steine auf Straußeneier warfen, um so die harte Schale zu zerbrechen – als es noch Strauße gab, natürlich. Ich setze ihnen einzeln die Kapuzen auf und benutze dabei einen ledernen Falknerhandschuh, den einer von Macs saudiarabischen Freunden vor Jahren vergessen hat. Dann stehen wir draußen auf dem Rasen – oder dort, wo der Rasen wachsen wird, sobald sich der unbezähmbare Landschaftsgestalter wieder ins Geschäft gebracht hat.
Die Hitze hat nachgelassen, es sind unter dreißig Grad. Überall riecht es nach Leben. Die Raubvögel krallen sich in meinen Arm und sitzen still wie Statuen, dann nehme ich einem nach dem anderen die Kapuze ab, und sie erheben sich mit wildem Schlagen ihrer armseligen Schwingen in die Lüfte. Lange Zeit sehen wir sie am Himmel emporsteigen, während hinter ihnen die Nacht einbricht und tief über den Hügeln das gepunktete, brüchige Ei des Sonnenuntergangs verglüht. Die Ahnung eines Windhauchs weht vom Meer heran.
Bleibt nur noch Petunia.
»Ich kann es nicht tun«, sage ich. »Ich kann es einfach nicht.«
Andrea überlegt, während wir auf der Einfahrt stehen und hinter uns die Lichter des Hauses schimmern. Es ist kein Laut zu hören, nichts, weder das Dröhnen von Motoren noch das Heulen einer fernen Sirene, und dann hebt auf einmal eine einsame Grille als unverbesserlicher Optimist mit ihrem ganz eigenen schabenden, sägenden Singsang an. In diesem Moment berührt mich Andrea, ihre Finger streicheln sanft über die schlaffe, müde Haut meines Unterarms, über die erhabene Spur der Naht aus zweiunddreißig Stichen und all die Narben der übrigen Wunden, von denen
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