Grün war die Hoffnung
in Streifen ausgegraben, und wo vorher unersättlich durstiges Gras gewesen war, schuf er nun ein Trockenbiotop aus heimischen Pflanzen, und wie jeder wahre und gute Kleinbürger beschied er den Nörglern unter seinen Nachbarn, sie könnten ihn alle mal am Arsch lecken. Er fühlte sich gut. Selbstgerecht. Er tat seinen Teil, um wenigstens einen kleinen Zipfel des Ökosystems wiederherzustellen, auch wenn niemand sonst es ihm nachtat. Aber wenn alle umschwenken, wenn alle mitmachen würden, alle seine Mercedes fahrenden, schnäppchenversessenen Nachbarn, dann wäre alles in Ordnung – das heißt, wenn sie außerdem noch die kluge Entscheidung träfen, hinters Haus zu ihren Komposthaufen zu gehen, ihre in Designerklamotten gewandeten Leiber unter Laub und Grasschnitt zu begraben und sich dann in den Hinterkopf zu schießen.
Na schön, vielleicht war er eine Art Sonderling – das würde er selbst als erster zugeben. Aber immerhin hielt er sich von Ärger fern, was Andrea und seinen Bewährungshelfer freute und, wie er gern dachte, Sierra auch. Doch eines Tages waren alle Bäume – und alle Büsche und Sukkulenten und Kakteen – gepflanzt, die Frösche quakten lustvoll aus dem umfunktionierten Swimmingpool und Tierwater stellte fest, daß er mehr brauchte, mehr Action. Es war eine Sucht, genau das war es: sobald man den Feind einmal kennt, sobald man in der Nacht zugeschlagen und die elektrisierende Wirkung davon gespürt hat, ist man abhängig. Diese passiven Sachen waren gut und schön: ein Ökosystem wiederherstellen, einen Rasen umgraben, Flugblätter verteilen und an Demos teilnehmen – aber das war nichts gegen tatkräftiges Handeln, gegen geheime, direkte, zerstörerische Aktionen. Wenn man nur genügend Abzugskanäle verstopfte und Planierraupen demolierte, wenn man diesen Konzernärschen nur genug Blut herauspreßte, dann würden sie schon klein beigeben. So glaubte Tierwater jedenfalls. Seine Bewährungsfrist war fast abgelaufen, und seine Tochter wurde rasch größer, sie war jetzt siebzehn, mit der Highschool fast fertig, und redete von einem Studium in Santa Cruz, einem netten bewaldeten Campus der University of California, den Andrea und er in den Frühjahrsferien auch bereits brav besichtigt hatten. Zwei Jahre waren eine lange Zeit, um Vater ist der Beste zu spielen. Und es hing ihm elendiglich zum Hals raus.
Natürlich mußte er auch an Andrea denken. Mag sein, daß sie ihm seinerzeit mit Vergnügen die kleinen Tricks der Öko-Sabotage beigebracht hatte, doch jetzt lagen die Dinge anders. Sie hatte eine Stellung zu verteidigen – und er auch. Niemand hätte etwas davon, wenn er im Gefängnis saß. Er erinnerte sich an einen Abend irgendwann am Ende seiner zweijährigen Schicht als Hausmann und Spießerdrohne, als er seit langem wieder einmal das Thema nächtlicher Aktionen ansprach. Es war nach dem Essen, sie saßen noch bei einem Glas Wein zusammen. Sierra war in ihrem Zimmer, am Telefon, aus ihren Lautsprechern tröpfelten Nouveau-Folk-Harmonien wie sanfter Regen auf einen ruhigen See. Draußen, hinter den großen Fenstern, sammelten sich die Laubfrösche zu einem fröhlichen Gemeinschaftsquaken, um dem Sonnenuntergang zu huldigen. »Nein«, sagte Andrea, »das ist zu riskant.«
Sie reagierte damit auf eine Bemerkung Tierwaters über die Elektrizitätsgesellschaft der Gegend und deren Pläne – »und zwar Pläne, die knapp vor der Umsetzung stehen, verdammt noch mal, Bulldozer, Löffelbagger, Biotop futschikato, das geht ganz fix« – zum Ausbau eines neuen Mastennetzes im Gebiet der Santa Susana Mountains am anderen Ende des Tals. »Es ist ganz einfach«, konterte Tierwater und fuhr mit dem Finger über den Rand seines Weinglases. »Bin letzte Woche jeden Nachmittag da raufgewandert – ach, das wußtest du nicht? –, und es ist total einfach. Genau, wie du es von der Sache im Siskiyou gesagt hast – ein Spaziergang im Park. Aber diesmal wirklich. Hundert Prozent. Kein Aufsichtspersonal, keine Nachtwächter, gar nichts. Die hacken da einfach alles um, für die ist es ein Job wie jeder andere, das sind Typen mit Schutzhelmen, die noch nie was von Ökologie gehört haben und denken, Sabotage hätte etwas mit Landschaftsgärtnerei zu tun.«
»Nein, Ty«, sagte sie, und Furchen der Verärgerung terrassierten ihre Stirn bis zum Haaransatz. Sie warf ihren Schopf zurück, legte den Kopf schief und starrte ihn an. »Keine Guerillataktik mehr. Wir können uns das nicht leisten. Jedesmal, wenn
Weitere Kostenlose Bücher