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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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kein Verbrecher –, indem er sie überrumpelte. »Ich hab jahrelang vor dem Spiegel verbracht«, hatte er Tierwater erzählt, »bis ich jeden Ausdruck drauf hatte, von ›Komm mir nicht in die Quere‹ über ›Herr Pfarrer läßt die Kollekte herumgehen‹ bis ›Stecken Sie doch bitte alles Geld in diese Papiertüte, bevor ich Ihnen die Fresse wegschieße‹.«
    »Der Text ist vielleicht etwas schwach«, gestand Tierwater ein, »aber bei Pulchris geht’s um den Rhythmus, um nichts anderes.«
    Sandman winkte ab und stürzte sich dann auf das Schachbrett, wo er Tierwaters Dame durch einen schwarzen Turm ersetzte, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war. »Ha! Hab sie erwischt, die weiße Schnalle!«
    »Scheiße. Den hab ich nicht gesehen.«
    »Gibst du auf? Und übrigens, wenn wir gerade bei Schnallen sind, wie geht’s eigentlich deiner Ex?« Er beugte sich vor, um die Figuren einzusammeln. »Ich meine, ich hab heute nachmittag gesehen, wie ihr euch ineinander verkrallt habt, aber du hast nicht sehr glücklich ausgesehen...«
    »Und was ist mit deiner eigenen Exschnalle?« Tierwater saß ruhig da und erwiderte Sandmans Grinsen. Andrea war ein Thema, über das er lieber nicht sprach. Oder nachdachte. Es wäre so, als ob man mitten in der Wüste an Wasser denkt oder an Pizza in South Dakota.
    »Hab ich dir erzählt, daß ich fünfmal verheiratet war?« Sandman beugte sich vor und grinste immer noch, seine massigen Oberarmmuskeln spannten sich unter dem dünnen Stoff seines T-Shirts. »Fünfmal, dabei bin ich fast noch ein Kind. Aber die allerschlimmste war die erste: Candy, Candy Martinez, das war meine Flamme in der Highschool. Sobald ich das erstemal in den Bau gegangen bin, ist sie losgezogen und hat jeden Kerl gevögelt, den ich kannte, als hätte sie eine Art Mission zu erfüllen – also, meinen Bruder, meinen besten Kumpel, den Typen von nebenan, Scheiße, Mann, sogar den Werklehrer, dabei war der an die Vierzig, mindestens, und er hatte so gorillamäßige Hände voller schwarzer Haare überall...«
    Tierwater stieß sich hoch und machte zwei Schritte nach rechts, zwei nach links – die Zelle war nur zwei mal zwei dreißig, nicht gerade ein Exerzierplatz. Er mußte sich nur mal die Beine vertreten, sonst nichts. »Danke, Sandman«, sagte er dann mit gespielter Aufrichtigkeit, »danke, daß du dieses Erlebnis mit mir geteilt hast. Jetzt fühle ich mich schon viel besser.«
    Gefängnis. Tierwater stand es durch, und viel mehr war nicht darüber zu sagen. Jeden Tag bereute er, mit diesem Schneidbrenner losgezogen zu sein, aber die Reue ließ ihn noch härter werden, und er hätte es wieder getan, ohne zu zögern – außer daß er diesmal, wie in allen Phantasien und theoretischen Planspielen, natürlich nicht erwischt würde. Er saß letztendlich den größeren Teil seiner Strafe ab, da ihm nach einem unerfreulichen Vorfall mit zwei kindsgroßen Mitgliedern einer vietnamesischen Gang im Speisesaal des Gefängnisses etliche Guttage (das heißt, Tage für gutes Verhalten – man erhielt zwei Guttage für jeden Tag in einem Staatsgefängnis angerechnet) wieder abgezogen wurden, und danach kam er noch einmal nach Lompoc, wo nur Sicherheitsstufe eins herrschte, denn er würde gewiß nicht ausbrechen, wenn er nur noch sechs Monate abzusitzen hatte.
    Und wer besuchte ihn dort? Manchmal Sierra, obwohl die Fahrt im Greyhound-Bus ein echter Schlauch für sie war, und auch Andrea natürlich, aber jedesmal, wenn er sie küßte und ihre Zunge in seinem Mund spürte, war irgend etwas nicht echt daran; er wußte, daß es vorbei war, daß sie ihn bereits abgeschrieben hatte und das Spiel nur noch sportlich zu Ende führte. Das tat weh. Es trieb ihm das Messer in den Leib und drehte es noch einmal um. Und wer kam noch zu Besuch, mitten in dieser betäubten, benebelten Zeit, in der er wie ein Zombie herumging, redete und dachte und ständig überlegte, wie er es vom Sohn seines Vaters mit einem ordentlichen Haus in einer netten Siedlung, ringsherum Bäume und Blumen und die guten Dinge des Lebens, bis hierher geschafft hatte. Wer noch?
    Sandman besuchte ihn. Geoffrey R. Sandman, in Anzug und Krawatte, sah aus wie ein Rechtsanwalt oder Neurochirurg. »Teufel auch, wie geht’s dir, Ty?« wollte er wissen, während die Wärter von einem Fuß auf den anderen traten. »Wenn du irgendwas brauchst, sag Bescheid, Mann.«
    Und dann kam der Tag des Déjà-vu, Andrea wartete auf dem Parkplatz, die kleine Tasche mit seinen Habseligkeiten,

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