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Grün war die Hoffnung

Grün war die Hoffnung

Titel: Grün war die Hoffnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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im ungefähren verblieben, ein Muster an Konzentration, das sich niemals ablenken ließ, auch als Junge, wenn er auf einem lauten Spielplatz Modelle zusammenbaute oder am Zeichentisch seines Vaters Blaupausen von imaginären Städten malte. Seine Mutter lobte ihn oft für diese bei einem kleinen Jungen so außergewöhnliche Fähigkeit, und Lob erhielt er auch von seinen Lehrern. Von einer Lehrerin besonders, einer Kunstlehrerin in der fünften oder sechsten Klasse – wie hatte sie doch geheißen? –, er sah sie so deutlich, als stünde sie jetzt vor ihm, eine kleine, lächelnde Frau, nicht viel älter als Morty Reichs große Schwester – und diese Lehrerin hatte wirklich geglaubt, er habe Talent, nicht bloß weil er in nur einer Woche perspektivisches Zeichnen gelernt hatte und eine unfehlbar gerade Linie ziehen konnte, so wie die, die er soeben produzierte, sondern auch...
    Er kam nie dazu, den Gedanken zu beenden. Denn in diesem Moment, wenn ihn auch die Halskrause daran hinderte, sich umzudrehen und darauf zu reagieren, spürte er einen Zeigefinger, der ihm fest und unverkennbar auf die Schulter klopfte.
    Diesmal fuhren sie die harte Tour. Der Staat Kalifornien warf ihm schwere Sachbeschädigung in vier Fällen vor, und dann meldete sich die Bundespolizei und knallte ihm die Verletzung der Bewährungsauflagen obendrauf, und das war der herzloseste Stich von allen, immerhin waren zum Zeitpunkt seiner Verhaftung nicht mal mehr drei Wochen übrig. Fred – und auch der Verteidiger, den Tierwater statt seiner anheuern mußte, als Fred sich verabschiedete, sobald er auf Kaution freikam – war machtlos. Die Presse stürzte sich begierig auf den Fall – es war Tierwater, Tyrone O’Shaughnessy Tierwater, der radikale Nudist, der einen Monat nackt in den Wäldern gehaust hatte, mit seiner ebenso nackten, vollbusigen Frau Andrea Knowles Cotton Tierwater, inzwischen ehrgeizige Direktorin und Sprecherin von E.F.!, und hier waren auch die Fotos jener unseligen Aktion, aus den Archiven hervorgekramt und auf Seite eins des Lokalteils nachgedruckt, in beachtlicher Schärfe, Brustwarzen und Genitalien leicht verwischt natürlich, um keine kindlichen Gemüter zu verschrecken. Bei dem Rampenlicht, in dem der Staatsanwalt stand, ließ er sich nicht erweichen. Er brachte Tierwater dazu, sich voll zu bekennen – schuldig in allen vier Punkten –, so kriegte er zwei Jahre für den ersten und je acht Monate für die restlichen drei, nacheinander abzusitzen, und danach müßte er zurück nach Lompoc für weitere sechs Monate im Bundesgefängnis. Tierwater war kein Mathematiker, aber egal, wie er die Zahlen jonglierte, sie ergaben vierundfünfzig Monate – viereinhalb lähmende Jahre.
    Aber es kam noch schlimmer. Er wurde dazu verurteilt, Schadenersatz in Höhe von achthundertfünfundsiebzigtausend Dollar zu leisten, für die Zerstörung von Fahrzeugen und Maschinen, ganz zu schweigen von dem angeknacksten Strommast, der vollständig ersetzt werden mußte. Noch nannte ihn die Presse nicht eine »Hyäne« – das würde später folgen –, aber kein Reporter erhob die Stimme zu seinen Gunsten, nicht einmal Chris Mattingly, der in einem Artikel Sabotageakte jeder Art schlichtweg als Anarchie brandmarkte. Newsweek brachte ein Feature über ÖkoSabotage, mit den üblichen Diagrammen, einer faszinierenden Übersicht der verwendeten Techniken, vom Spicken der Bäume mit Stahlnägeln bis zu Brandsätzen auf Bürogebäude, und Tierwaters Foto, mit Strickmütze und geschwärztem Gesicht, prangte in einem kleinen Kasten auf dem Titelblatt. Und die braven, ehrlichen, gesetzestreuen, imagebewußten Heuchler von Earth Forever! überschlugen sich geradezu dabei, jede Beteiligung abzustreiten. Deshalb mußte sich auch Fred verabschieden. »Es würde einfach nicht richtig aussehen«, sagte er. »Das verstehst du hoffentlich.«
    Na schön, also war Fred ein Feigling, genau wie die anderen. Immerhin war er am ersten Tag da, um Tierwater auf Kaution herauszuholen und, zusammen mit Andrea, eine kreative Umstrukturierung des Tierwaterschen Besitzes vorzunehmen, sowohl der Immobilienwerte wie der Investmentfonds, in die die Einnahmen aus dem Verkauf des Einkaufszentrums geflossen waren. Die Sache war die: Fred hatte das Urteil vorausgesehen und Vorkehrungen getroffen, daß Tierwaters gesamtes Vermögen dem E.F.!-Treuhandfonds überschrieben wurde, wobei seine Frau zeichnungs- und verfügungsberechtigt war. »Bevor das Gericht alles bekommt«,

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